
Du streunst umher. Gehst über Wiesen an Bächen entlang, kommst zu einem kleinen Teich mit Seerosen. Die Sonne plagt deinen geschundenen Körper. Du hast Durst. Die Grillen zirpen. Die Mücken kreisen gierig um deinen Kopf. Du denkst daran, was du noch alles zu erledigen hast und an deinen letzten Streit. Die Natur tut dir gut, sie befreit deinen Geist. Du fühlst Dich unbefangener. Du holst tief Luft. Du bist jemand, der Blumen sieht, wenn er sie anschaut und Düfte riecht, wenn er einatmet. Dich trifft aber die Unbill des Lebens gleichermaßen, wie die Freude. Du tauchst tief in jede Emotion und manchmal wärst du gerne frei. Während du so herumwanderst, ohne Ziel, hörst du eine Stimme aus dem Wald. Die Glücksmaschine, ruft es. Kommen Sie meine Damen, meine Herren, treten Sie ein. Nehmen Sie Platz, wir bieten das ewige Glück. Du folgst der Stimme und stehst vor einem Zirkuszelt. Der Direktor lächelt geschäftstüchtig und bittet dich zur Tür hinein. Die Glücksmaschine, meine Dame. Nehmen Sie Platz. Nie wieder Trauer, nie wieder Schmerz, nur Lust, Euphorie und Freude verheißt sie dir. Wie? Nur Lust, kein Schmerz? Was muss ich dafür geben? Und was ist das für eine Lust, wenn sie von einer Maschine stammt? Nun, einmal an sie angeschlossen, wissen Sie nichts mehr von der Maschine. Alles wirkt echt, keine Glücksmaschine, kein virtuelles Geschehen, keine Kabel, alles erleben Sie gerade so, als wäre es ihr richtiges Leben. Der strahlende, attraktive Assistent des Direktors bittet dich mit ausholender Geste auf einen Ohrensessel mit Ottomane. Du setzt dich, legst deine Beine hoch und lauschst gespannt den Worten des Glücksmaschinenexperten. Das Beste ist, die Maschine kennt Ihre Wünsche schon. Sie lässt Sie leben, wie Sie es wollen, wie Sie es verdienen. Kein Verzweifeln, kein Verzagen, keine Erschöpfung, keine Scham. Keine Angst vor Zurückweisung, keine Niederlagen, kein Schnupfen oder Krebs. Der Partner Ihrer Träume, der sie hingebungsvoll liebt und Sie in jeder Lage versteht, dabei das Leben noch aufregender gestaltet. Erfolgreich und glücklich im Beruf, gefragt, gebraucht, geschätzt. Ihre Kinder ein Segen, die Freunde voller Bewunderung für Sie. Kinderlosigkeit wird nicht kritisiert. Sie beherrschen die Sportart, das Instrument, die Sprachen, die sie lieben. Ihre körperliche Verfassung ist blendend, ihre Muskeln gestählt. Ihr Geschmack erlesen, selbstbewusst, stilsicher und individuell. Sie reisen gerne und oft, kein Jetlag, keine miesen Hotels, keine Taschendiebe. Das Zimmer immer mit Meerblick, auf der Schitour Pulverschnee. Ein Auto, ein Zweitauto, aber sie fahren mit dem Rad. Keine Strafzettel, kein Wasserschaden, keine peinliche Situation. Nach dem Ausgehen kein Kater, die Musik immer die, die ihnen gefällt. Fürs Konzert sind die Karten nie ausverkauft. Ihre Schuhgröße ist immer zu haben. Sie lehnen sich zurück, werden angeschlossen und das Leben läuft, wie geschmiert. Du zögerst. Überlegst. Eine Glücksmaschine. Kann ich das wollen? Macht nur das Glück und die Lust das Leben gut? Du willst, willst nicht. Denkst nach. Müssen wir nicht Hoffen, Sehnen, Warten, Verzweifeln und Schmerzen in Kauf nehmen, um das Schöne, das Gute, die Freude, die Höhen und die Euphorie erst abgrenzen zu können? Sind wir nicht auf Gegensätze angewiesen? Wollen wir tatsächlich, dass das Glück uns nur zufliegt oder wollen wir etwas leisten, erreichen, etwas beherrschen, erarbeiten. Brauchen wir nicht auch den Schweiß auf der Stirn, den Muskelkater, das überzogene Konto, die Angst, das Bauchweh, die Blamage, den Liebeskummer, das Scheitern, die Einsamkeit, den Lärm? Ist das Gute das Billige? Das, was wir umsonst bekommen, das keinen Einsatz erfordert und keinen Verzicht? Ja, es ist ein berauschendes Gefühl, einfach nur Glück zu haben, aber wie schön ist es, wie erhebend, wie würdevoll, wenn wir etwas aus eigener Kraft erreichen, aus Überzeugung, entgegen größten Widerstand, wenn keiner an uns glaubt, man uns gar für verrückt hält oder durchgeknallt. Wenn wir glauben, wir schaffen das nicht mehr. Wir aber weiter machen. Nicht aufgeben. Warten. Uns gedulden. Jeder neue Tag eine neue Möglichkeit. Wie schön, wie gut, wie großartig, wenn wir uns selbst besiegen. Verzichten wir auf Geschenke, außer es handelt sich um Blumen oder Bücher. Seien wir uns selbst Geschenk, seien wir selbst Glückmaschinen für uns!
In Anlehnung an Robert Nozick´s „The Experience Machine“ aus Anarchy, State & Utopia.
Bild: Marc Chagall „La Rêve“.