Katze

IMG_2217Katzenmensch? Ich bin keiner, dachte ich. Ich fürchtete mich. Zu unberechenbar, zu grob, zu eigensinnig. Ja unsympathisch konnten Katzen geradezu sein. Ich hatte Angst vor ihren Krallen, vor ihren Zähnen und empfand Katzenhaare als Beleidigung jeder schönen Kleidung. Ich stellte mir nur zerkratze Möbel vor und traumatisierte Kleinkinder. Ich schloss dann aber im Laufe des Lebens sehr lockere Freundschaften mit den Katzen meiner Freunde. Sollte sich einmal eine auf meinen Schoß verirren, hörte ich auf zu atmen, kraulte aber bemüht und wartete auf die Attacke. Die blieb meist aus. Eh! Irgendwie schienen sie mich zu mögen. Sie kommen zu dir, weil du es nicht magst. Auf Grund irgendeiner schicksalshaften Wendung in meinem Leben begegnete ich aber dann: meiner Katze. Ein Baby, gerade geschlüpft. Ich war zur Bewunderung der eben geborenen Katzenkinder geladen. Es waren drei. Zwei graue Tiger und ein roter. Zuvor wurde mir schon von diversen gutmeinenden Bekannten zur Anschaffung einer Katze geraten. Ich blieb skeptisch. Ich mag sie nicht. Ich habe Angst. Ich kann nicht für so ein Katzentier sorgen. Aber dann der Tag x. Der Katzenbabytag. Ich konnte meine Augen nicht von ihr lassen, von dieser Mini-Löwin. Eine Miniaturbestie, die ihr Mäulchen in drohend dramatischer Geste aufreißen konnte wie ihre verwandten Großkatzen. Graziös-tollpatschig. Anschmiegsam, selbstbewusst. Kindchen-Schema. Kein Erbarmen. Ich überlegte. Hin und her. Sollte ich dieses Wesen bei mir einziehen lassen? Katzenklo. Eine abschreckende Vorstellung. Meine schönen Möbel, mein Bett, mein Sofa, meine Wohnung, meine Freiheit. Nein, lieber nicht. So sehr ich mich auch wehrte, konnte ich nur noch an dieses kleine elegante Geschöpf denken, das meine Freundin und Gefährtin werden könnte. Zerkratztes Gesicht. Zerkratze Arme, zerkratze Kissen, zerbissene Schuhe. Aber dann der Reiz, ein so kleines, zartes und autonomes Wesen um mich zu haben.

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Aber Katzenbesitzer zählen doch bekanntermaßen zu den schrulligen Zeitgenossen. Alte Jungfern und Misanthropen. Aber nein, das Gegenteil ist der Fall! Im Rahmen meiner ausgiebigen vorbereitenden Recherche stellte ich fest, dass ganz exquisite Menschen zu den Katzenliebhabern gehören: Winston Churchill teilte mit seiner Katze Jock Tisch und Bett, Raymond Chandler unterhielt sich mit seiner schwarzen Perserkatze Taki über seine Manuskripte, Ernest Hemingway hielt dreißig Katzen. Jeremy Bentham, Colette, Victor Hugo, Jean Paul Sartre, Montaigne, Edgar Allen Poe, Theodore Roosevelt, John Lennon, Claude Monet, Pierre August Renoir, die Liste ist lang. Charles Dickens soll gar gesagt haben: „Welch größeres Geschenk kann es geben, als die Liebe einer Katze“. Also eine vornehme und intellektuelle Gesellschaft in die ich mich da begeben würde. Ich rüstete mich mit Fachbüchern über Katzenkrankheiten, -erziehung, -sprache, -angewohnheiten und –vorlieben aus. Besorgte Katzenklo, Streu, Bürste, ein stylisches Kratzmöbel aus Berlin, Nassfutter, Trockenfutter, Futterschälchen usw. So zog also das kleine Kätzchen bei mir ein und wurde zu einer der großen Lieben meines Lebens. Es brauchte lange, bis wir uns aneinander gewöhnten. Ich hatte ständig Angst um sie. Trotz allem sollte eine Katzentreppe in den Garten ihr den Weg in die Freiheit ermöglichen. Wenn ich an meinem Schreibtisch sitze, setzt sie sich mit Genuss auf meine Unterlagen, sie beißt herzhaft in meine Zehen, wenn ich um drei Uhr morgens nicht aufstehen will, um ihr einen kleinen Imbiss zuzubereiten. Sie klopft hartnäckig an meine Tür um nach zwei Minuten schon wieder hinaus zu wollen. Sie liebt Jazz, vor allem John Coltrane und Parmesan. Sie ist beleidigt, wenn ich zu lange weg bin und lässt sich dann selbst stunden-, ja tagelang nicht blicken. Sie ist treu und anschmiegsam, aber nicht zu. Sie schmeichelt und streichelt und will dann gekrault werden, wenn ich keine Zeit habe. Bevor ich verreise setzt sie sich in meinen Koffer. Sie spielt stundenlang draußen, fängt Mäuse und bringt mir tote Vögel als Zeichen der Liebe. Sie bevorzugt frisch gewaschene Bettwäsche als Schlafplatz und kratzt an der Couch um mich zu ärgern. Sie wartet sehnsüchtig auf meine Heimkehr, wirft sich auf den Boden vor mir und jauchzt. Dies sind die Momente, in denen sie ihre Selbstachtung verliert, wie ich meine, wenn ich in allzu kindischer Babyssprache mit ihr rede. Sie ist eine Haargummifetischistin. Wenn ich traurig bin, legt sie sich auf meinen Bauch. Sie ist eine Schwester und Freundin. Sie ist ein Mysterium und besser als Fernsehen. Sie ist anmutig und wild. Faul und übermütig. Sie macht, was wir Menschen viel zu selten machen. Schlafen und Spielen. Ich bin kein Katzenmensch. Ich bin ein Meinekatzemensch. Sie ist Teil meines Guten Lebens.

 

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