Die stille Bucht. Eine Reise nach Ligurien

IMG_0123Wenn man glaubt, etwas selbstverliebt ob der italienischen Vergangenheit, des Auslandssemesters, des italienischen Langzeitfreundes, der unzähligen Urlaube in der Kindheit und der vielen Ausflüge über die nahe Grenze eine Italienexpertin zu sein, so kann man doch eines Besseren belehrt werden. Immer noch kann Italien überraschen, es kann  immer noch, ja, verzücken. Man  kennt den plattgewalzten wenig charmanten Strand von Jesolo, dennoch Ort wunderbarer Kindertage mit Tretboot, Lunapark und selig machender Vanillekrapfen. Man kennt Rom und selbstverständlich Florenz, Pisa, Bologna. Man hat in Padua gelebt. Man kennt das türkisblaue klare Meer von Sardinien und die damit verbundene Langeweile. Die Funivia („Funivia heisste ebene Seilbahne“), die einen vom zauberhaften Bergdörfchen Taormina mit ungetrübtem Blick gen Vesuv ans Meer bring, hat man erlebt. In  Punta Ala konnte man  den luxuriösen Yachthafen bewundern, man war schon hingerissen von Capri und der Costa Amalfitana und hat  sogar schon einmal seine Ferien in Ligurien verbracht. Wie lieblich, hügelig, bewaldet und blumengeschmückt die Örtchen doch sind.  Leider landete man im falschen.  Imperia vermochte nur wenig Begeisterung zu wecken. Dann hat man Ausflüge nach Bordighera unternommen, nahe der französischen Grenze, an dessen weißem Sandstrand sich schon erahnen ließ, warum drüben, nur wenige Kilometer entfernt in Frankreich, das Meer Coté Azur genannt wird. Nun, selbstgerecht und schon so vieles erlebt und gesehen habend, bricht man in das bisher unbekannte Städtchen Sestri Levante auf und ist bester Hoffnung, dass die Schwärmerei der Ratgeberin und die Fotografien aus dem Internet der Realität standhalten würden.  Erschöpft und hungrig nach Meer, Sand und Sonne, kommt man an und findet sich an einem Ort wieder, der zum Staunen verleitet. Man tritt vom Hotel auf die weite geräumige Terrasse, die direkt in wenigen Stufen an den kleinen, fast putzigen Sandstrand direkt vor der Haustüre des Hotels übergeht und ist zufrieden. Was für ein Anblick! Was für eine Bucht! Was für ein Platz! Man schaut in einen Teppich aus gelb, grün, türkis, azurblau und schwarz, der sich vor einem ausbreitet. Eine charakteristische Algenart lässt das Meer an manchen Tagen gelb bis giftgrün leuchten. Auf diesem Teppich scheinen kleine Boote zu schweben. Keine großen Motorboote oder gar Yachten, nein, kleine Ruderbötchen, manche mit einem Motor ausgestattet, schunkeln und wackeln vor uns her, als ob sie gerade ein kleines Kind, das mit Booten spielt, dort in Reih und Glied aufgestellt hätte. Die Bucht ist halbkreisförmig, wie gemalt. Links und rechts steigen sanft Hügel zu beiden Seiten mit stattlichen bunten Häusern, Villen und einer Kirche empor. Dazwischen viel Vegetation. Palmen, Zypressen, Ginster, Pinien, Seekiefern, Thymian, Rosmarin und Oleaster. Wenn man sich dann zu Fuß oder laufend auf einen dieser Hügel aufmacht, überblickt man die ganze Bucht und vor allem die bunte Häuserfront, die den Strand säumt. Bunte Stadthäuser, rot, orange, gelb, ockerfarben, verschieden breit, verschieden hoch und verschieden von Sand, Salzwasser und Wind mitgenommen. Hinter dieser kulissenhaften Häuserfassade breitet sich das offene Meer aus, in das eine Halbinsel, Portobello, hinein reicht. Die Bucht ist gerade so groß um einen lebendigen, bunt beschirmten Strand zu beherbergen, aber immer noch klein genug, um die Prädikate putzig, entzückend oder charmant zu verdienen. Man ist begeistert, fühlt sich wohl, atmet durch und starrt mit einem Aperitivo in der Hand erst einmal nur müde aber glücklich ins Meer hinaus. Dass der Name „Baia del Silenzio“, Bucht der Stille, in die Irre leitet, braucht wohl nicht erwähnt zu werden. Es wuselt hier. Es ist lebendig. Man hört zwischen dem sanften Meeresrauschen Stimmengewirr, Lachen, Schreien und „Coco-Bello-Rufe“. Unzählige Verkäufer aus aller Herren Länder versuchen ihre Waren zu verkaufen. Im Meer tummeln sich die Menschen. Es ist hier alles andere, als still. Aber dennoch schön, denn der Blick verschmilzt mit dem Blau des Meeres dort, wo die Grenze zum Himmel ununterscheidbar wird. Das Städtchen Sestri Levante ist nicht klein. Es bietet eine geräumige Marina, Strandpromenade, viele, viele Geschäfte und Lokale. Zentral zwischen den beiden Buchten, der Baia del Silenzio und der Baia delle Favole liegt die Altstadt. Sestri Levante ist irgendwie besonders. Es ist besonders hübsch, besonders italienisch und besonders überdreht.

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Schlafen: Hotel Miramare****, Via Cappellini 9 16039 Sestri Levante – Genova, Italia
Tel. +39 0185.480855 | info@miramaresestrilevante.com

Zauberhaftes Hotel mit eigenem Privatstrand

 

Essen: Trattoria Angiolina, Viale Rimembranza 49, 16039, Sestri Levante, Italy

+39 0185 41198

Traditionelle ligurische Küche, viel Fisch, hervorragende Weine, sehr schönes Ambiente.

 

Bar: Citto Beach Sestri Levante

Coole, geschmackvolle Bar direkt in der Baia, vermietet auch Liegestühle. Sun-Downer und Beautiful People. Da sollte man wirklich mindestens einmal hingehen.

 

Einkaufen: Caterina, www.caterinalecchi.com

Die elegante Signora Caterina Lecchi fertig wunderbare Schmuckstücke an. Sie verwendet Meeresfossilien und Seide. Sie hat Gespür für Farbe und Materialien. Das kleine Geschäft kann in der belebten Einkaufsstraße von Sestri leicht übersehen werden, sollte es aber nicht.

 

Ausflug: Porto Fino

Auch wenn Port Fino sich vom einfachen Fischerhafen zum Nobelort gemausert hat, sollte man alle Vorurteile diesbezüglich über Bord schmeißen und die Reichen und Schönen einfach ignorieren, denn so zauberhaft ist dieser kleine Ort. Von Sestri Levante aus in aufregender Autofahrt der kleinen Küstenstraße entlang mit herrlichen Ausblicken auf das Meer hinaus oder mit dem Zug oder dem Schiff gut zu erreichen.

Sommerlektüre

 

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4 3 2 1“ ein Roman von Paul Auster, Rohwolt

„Was wäre, wenn….“ ? Dies ist doch die Frage um die es in der Literatur eigentlich geht. Die Frage, die uns veranlasst Geschichten zu schreiben und Bücher zu lesen. Genau diesen Konditional reizt Paul Auster auf brillante Art und Weise aus. Gleich vier mögliche Lebensentwürfe stellt er seinem Helden Ferguson, geboren 1947 in Newark, USA zur Verfügung. Der gleiche Mensch, dieselben Startbedingungen für vier unterschiedliche Leben. Vier Biografien, ein Charakter. Und das erstaunlichste ist, dass Ferguson, egal, was ihm zustößt, dieselbe Seele behält. Nur ein Meister, wie Paul Auster schafft es, seine Leser über 1000 Seiten am Ball zu halten. Er selbst sagte: „Ja, die Geschichte ist lang und verlangt dem Leser viel Geduld ab, aber die Zeilen fliegen dahin“. Nach der Lektüre muss man fast sicher annehmen, die Liebe zu Büchern, zu Literatur, zum Schreiben sei einem in die Wiege gelegt, denn egal was Ferguson auch passiert, Bücher sind das Zentrum des Gravitationsfeldes, um das sich sein Dasein bewegt. Und Sex. Sex oder die Sehnsucht danach plagen den Helden immerzu, lassen ihn dann aber wieder in ungeahnte Höhen aufsteigen. Man könnte kritisch anmerken, es handle sich um das Alterswerk eines amerikanischen Bildungsbürgers, der sich an seine Jugend und verlorene Virilität klammert, wären da nicht diese beeindruckenden Frauenfiguren, denen Auster in der Gestalt von Fergusons Mutter Rose, einer wunderschönen talentierten Fotografin, der bisexuellen Kunsthistorikerin Vivian Schreiber, die dem neunzehnjährigen Ferguson in Paris eine Gefährtin und Förderin wird und Fergusons weiblicher Counterpart Amy Schneiderman, die unerschrockene Menschenrechtsaktivistin und Gerechtigkeitsfanatikerin Tribut zollt. 4 3 2 1 ist ein klassischer Coming-of-Age-Roman mit Tragödien und Glücksfällen, mit Schicksalsschlägen und zauberhaften Liebenswürdigkeiten, eine Geschichte der Vereinigten Staaten zwischen 1950 und 1970. Eine Hommage an das Buch, das Leben, die Liebe und daran, was alles möglich sein könnte, was uns nur zufällig trifft und welche Freiheiten uns, beängstigenderweise, offenstehen.

 

2 Wochen

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Zärtlich ist die Nacht“ von F.S. Fitzgerald, Diogenes

Es gibt Sätze, nach deren Lesen man innehalten und tief durchatmen muss. Sie sind von einer derartigen Schärfe und Schönheit, dass man sie wieder und wieder lesen will. Es ist nicht so, dass diese Sätze sich aneinander reihen und man wie einer Droge gegenüber irgendwann Toleranz entwickeln wird oder dass eine Art Gewöhnung eintreten könnte. Nein, diese Sätze treffen einen stets unerwartet. Man streunt durch die Geschichte, die Seiten, die Ereignisse tröpfeln dahin und „bang!“ – da ist wieder einer dieser Fitzgerald-Sätze, die einem den Boden unter den Füssen wegziehen und uns denken lassen, wie ist das möglich? Wie kann ein Mensch von dieser Welt Worte so aneinanderreihen, dass ein Satz zu einem Kunstwerk wird? Nun, F. Scott Fitzgerald kann es. Das Buch, ein Klassiker, erschienen unter dem Originaltitel „Tender is the Night“, an dem Fitzgerald neun harte Jahre arbeitete, war zunächst gar kein Erfolg. Für mich ist es eines meiner „Lebensbücher“. Warum? Vielleicht, weil es so harmlos, fast gelangweilt beginnt. Ein Strand, die französische Riviera, kultivierte amerikanische Gesellschaft, die uns anfangs nur müde gähnen lässt, obgleich uns das Träumen von Südfrankreich angenehm ist. Dann plötzlich der Bruch. Kaum jemand ist wie Fitzgerald in der Lage,  die Abgründe darzustellen, die sich hinter den scheinbar perfekten Leben der nur scheinbar perfekten Protagonisten auftun . Das Glück des Arztehepaares Diver scheint zunächst durch eine junge, reizende Schauspielerin gefährdet, bis man feststellt, dass es die dreckigen Flecken hinter der Fassade sind, die Lebensgeschichte, das, was ihnen zugestoßen ist, bevor die junge Schönheit sich in ihre Symbiose drängte. Man ist als Leser gezwungen zuzusehen, wie die Magie sich in Elend verkehrt, wie die Helden, die man lieb gewonnen hat scheitern und man kann nichts dagegen tun, außer sich an diesen großartigen Sätzen zu laben, die das einzige sind, was über die gestutzten Flügel der anmutigen Schmetterlinge hinwegtröstet. Ganz große Literatur.

 

Eine Woche

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„Vom Ende der Einsamkeit“ von Benedict Wells, Diogenes

Hat man nur eine Woche Zeit, lässt sich dieser Roman von Benjamin Wells leicht und mühelos lesen. Gut, er ist nicht von der literarischen Qualität eines Auster oder Fitzgerald, wie auch? Aber was Wells kann, ist eine Geschichte erzählen. Und die Geschichte dreier zu früh verwaister Geschwister ist mitreißend, spannend, und traurig. Im Mittelpunkt der Geschichte steht einsam und verloren Jules. Jules, der seinen Bruder und seine Schwester so sehr zur Bewältigung der Trauer über den Verlust der viel zu früh verstorbenen Eltern brauchen würde, aber oft die Distanz zu ihnen schier unüberwindlich scheint, obwohl sie im gleichen Internat aufwachsen. „Es gibt keine Geschwisterliebe“, sagte  Anna Freud, die Kennerin der kindlichen Seele. Doch, es gibt sie, aber es ist eine schwierige, konfliktreiche Liebe. Ein Kampf um Abgrenzung und Annäherung, ein Kampf um Liebe und Distanz, den hier Benedict Wells vortrefflich zu beschreiben vermag. Und dann ist da noch Freundschaft und Liebe. Und die erstaunliche Tatsache, dass das Leben oft unergründliche Wege einschlägt, dass es uns überrascht und vom Hocker hauen kann, dass schließlich doch alles so kommt, wie es kommen muss und dass Dinge oft nicht dann enden, wann und nicht so, wie wir es erwarten. Am Ende dieses Buches bleiben Tränen wohl nicht aus. Aber es lässt uns auch mit wohliger Wärme und der Gewissheit zurück , dass das Leben am Ende jede einzelne Träne Wert ist.

  

Für Kleine, immer wieder

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„Der Troll und die wilden Piraten“ von Julia Donaldson und David Roberts, Knesebeck

Was kann besser sein, als ein Kinderbuch, das dem Kinde und dem Vorleser oder der Vorleserin gleichermaßen gefällt. Den „Grüffelo“ kennt jeder, selbst Menschen, die keine Kinder haben. Mit dem „Troll und den wilden Piraten“ hat die Autorin wieder eine wunderbare Geschichte geschaffen, in der Trolle und Piraten aufeinandertreffen, und man nicht aus purer Raffgier einen Schatz finden will, sondern um sich endlich einen anständigen Koch leisten zu können. Einfach hinreißend!2017-07-19 11.24.16-2

 

 

Gesammelte Träume

 

 

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Träumen

Wie das weiße Blatt Papier auf das wir unsere Geschichten schreiben ist der Schlaf worauf wir unsere Träume malen. Wie bunt und knallig waren unsere Kinderträume. Rosa, himmelblau und mint, sonnengelb und lila. Heute sind unsere Träume schnell und grau. Wir rasen, fallen und laufen. Wir rennen weg oder auf etwas zu. Schnell sind unsere Träume heute, langsam waren sie einst. Wir wateten durch Schlamm und Matsch oder durch Zuckerwatte und meterhohen Schnee. Wir kamen nur langsam voran. Sooft mussten wir stehen bleiben, um zu staunen, zu schauen und uns zu wundern. Keine Pfütze, keine Lacke wurde ausgelassen. Hopp! Hinein gesprungen. Auf dem Kopf eine Krone oder Augenbinde. In der Hand einen Zauberstab oder das Steuerrad. Wir traten ein in eine fremde Welt. Takatukaland, Phantasien, das Land hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen, die Pirateninsel, das Lummerland oder das Königsschloss. Wir waren Prinzessinnen und Königinnen, Eroberer, Löwenbändiger und unerschrockene Forschungsreisende. Wir suchten nach Drachen und verborgenen Seen. Kleine Bäche waren uns wilde Ströme und die Kieselsteine am Wegesrand waren aus Gold. Heute Indianer, morgen Astronaut. Wir flogen auf den Mond. In der Tasche ein paar Groschen und ein Taschentuch. Die Heldinnen unserer Kindertage waren nicht mit uns, wir waren sie. Was war wirklich, was war es nicht? Wir vermochten es nicht zu sagen. Wir lebten in dieser Welt, ganz in uns versunken und verloren, aufgesogen von der Phantasie. Im Fluss, im Bann einer Geschichte, unserer Welt. Keine Erwachsenen gab es dort oder Sorgen. Regeln haben wir uns selber gemacht. Nichts war verboten. Keine Eile, kein Schlafengehen. Keine Angst? Oh, wie groß konnte sie sein, die Furcht. Vor Tigern, Ungeheuern, Hexen oder bösen Geistern. Doch wir haben sie immer bezwungen, die Angst. Anders als heute, wo sie uns bezwingt. Wir gewannen jeden Kampf mit List, mit dem Schwert, mit Pfeil und Bogen. Zaubertränke konnten wir brauen und Zaubersprüche sagen. Wir verwandelten Kröten in weiße Pferde. Wir ritten dahin und flogen durch die Prärie. Segelschiffe haben wir gelenkt und Riesen besiegt. Nichts war unmöglich, kein Abenteuer zu wild. In dunkle Höhlen sind wir gekrochen nur eine kleine Kerze in der Hand. Wir kannten keinen Hunger, keinen Durst. Wir waren nie müde, nie war Schlafenszeit. Mit Tieren konnten wir sprechen egal ob aus Stoff oder Fleisch und Blut. Warum scheinen sie uns so weit weg, unsere Kindertage? Unsere Kinderträume. Sind sie uns verloren gegangen? Haben wir nicht auf sie aufgepasst? Und wer kann schon sagen, was wahr ist? Die Phantasie, die Erinnerung, der Traum? Warum sollten sie nicht gerade so echt sein, wie der Tag im Sonnenlicht. Manchmal, auch heute noch, wachen wir auf, ganz benommen und eingelullt. Manchmal passieren sie uns auch heute noch, die schönen Träume. Am Abend, im Zwielicht, im eigenartigsten Zustand zwischen Wachen und Schlaf. Zwischen hier und dann. Zwischen da und dort. Und nochmals frage ich dich, wer kann es sagen, was wahr, was geträumt oder was erinnert ist? Wie fühlt es sich an, zu träumen für Dich? Was ist anders, an der Freude im Traum, am Geschmack von Salz und Meer im Gesicht, wie unterscheidet sich der süße Kuss im Traum, von dem, den Du mir gegeben hast am anderen Tag? Nie! Niemals dürfen wir das Träumen vergessen. Wir verstehen uns darauf. Wir bauen uns unsere Welt und unseren Unterschlupf. Wir haben einen Zufluchtsort, da drüben. Leg Dich hin, deck dich zu, wickle dich ein. Roll dich ein und schling die Decke um deinen Leib. Den Kopf wohlig getragen, fang an. Träume! Mach die Augen zu und brich auf. Schau dir die Bilder an, die dein Geist dir erzeugt. Lenk sie, mal sie an. Lass sie laufen, färb sie rosarot. Nimm Fahrt auf und sei mutig. Leg dich hin unter den Birnenbaum. Schau in die Blätter hinauf und tauch ein in den Schlaf. Hol sie zurück, die glückliche Kinderzeit, als das Träumen noch unser Alltag war. Traum oder Wirklichkeit- wer kann es schon sagen? Werde Kind. Bleibe Kind. Sei immer Kind. Verbringe Zeit mit einem Kind. Lass Dich ein auf das Spiel. Spiel doch mehr! Es ist so gut.

 

 

 

 

Weit hinaus

Das Gute im Leben ist, dass uns Dinge manchmal einfach so passieren. Wir begegnen tollen, schönen Menschen, wir finden dieses eine Buch,  an dem wir uns nicht sattlesen können. Wir haben diesen einen unglaublich kreativen Gedanken. Wir lassen plötzlich etwas los und machen ganz viel Platz für Neues ODER er kommt zu uns, dieser eine, wunderbare Song, der uns berührt und nicht mehr los lässt. Einfach so.

https://youtu.be/4qSyqXWBdXI

Hund

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Dass mir mein Hund das Liebste sei,

 

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sagst Du oh Mensch sei Sünde,

 

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mein Hund ist mir im Sturme treu,

 

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der Mensch nicht mal im Winde.

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Fotos: Jule Fritzsche

Gedicht: Franz von Assisi

 

Katze

IMG_2217Katzenmensch? Ich bin keiner, dachte ich. Ich fürchtete mich. Zu unberechenbar, zu grob, zu eigensinnig. Ja unsympathisch konnten Katzen geradezu sein. Ich hatte Angst vor ihren Krallen, vor ihren Zähnen und empfand Katzenhaare als Beleidigung jeder schönen Kleidung. Ich stellte mir nur zerkratze Möbel vor und traumatisierte Kleinkinder. Ich schloss dann aber im Laufe des Lebens sehr lockere Freundschaften mit den Katzen meiner Freunde. Sollte sich einmal eine auf meinen Schoß verirren, hörte ich auf zu atmen, kraulte aber bemüht und wartete auf die Attacke. Die blieb meist aus. Eh! Irgendwie schienen sie mich zu mögen. Sie kommen zu dir, weil du es nicht magst. Auf Grund irgendeiner schicksalshaften Wendung in meinem Leben begegnete ich aber dann: meiner Katze. Ein Baby, gerade geschlüpft. Ich war zur Bewunderung der eben geborenen Katzenkinder geladen. Es waren drei. Zwei graue Tiger und ein roter. Zuvor wurde mir schon von diversen gutmeinenden Bekannten zur Anschaffung einer Katze geraten. Ich blieb skeptisch. Ich mag sie nicht. Ich habe Angst. Ich kann nicht für so ein Katzentier sorgen. Aber dann der Tag x. Der Katzenbabytag. Ich konnte meine Augen nicht von ihr lassen, von dieser Mini-Löwin. Eine Miniaturbestie, die ihr Mäulchen in drohend dramatischer Geste aufreißen konnte wie ihre verwandten Großkatzen. Graziös-tollpatschig. Anschmiegsam, selbstbewusst. Kindchen-Schema. Kein Erbarmen. Ich überlegte. Hin und her. Sollte ich dieses Wesen bei mir einziehen lassen? Katzenklo. Eine abschreckende Vorstellung. Meine schönen Möbel, mein Bett, mein Sofa, meine Wohnung, meine Freiheit. Nein, lieber nicht. So sehr ich mich auch wehrte, konnte ich nur noch an dieses kleine elegante Geschöpf denken, das meine Freundin und Gefährtin werden könnte. Zerkratztes Gesicht. Zerkratze Arme, zerkratze Kissen, zerbissene Schuhe. Aber dann der Reiz, ein so kleines, zartes und autonomes Wesen um mich zu haben.

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Aber Katzenbesitzer zählen doch bekanntermaßen zu den schrulligen Zeitgenossen. Alte Jungfern und Misanthropen. Aber nein, das Gegenteil ist der Fall! Im Rahmen meiner ausgiebigen vorbereitenden Recherche stellte ich fest, dass ganz exquisite Menschen zu den Katzenliebhabern gehören: Winston Churchill teilte mit seiner Katze Jock Tisch und Bett, Raymond Chandler unterhielt sich mit seiner schwarzen Perserkatze Taki über seine Manuskripte, Ernest Hemingway hielt dreißig Katzen. Jeremy Bentham, Colette, Victor Hugo, Jean Paul Sartre, Montaigne, Edgar Allen Poe, Theodore Roosevelt, John Lennon, Claude Monet, Pierre August Renoir, die Liste ist lang. Charles Dickens soll gar gesagt haben: „Welch größeres Geschenk kann es geben, als die Liebe einer Katze“. Also eine vornehme und intellektuelle Gesellschaft in die ich mich da begeben würde. Ich rüstete mich mit Fachbüchern über Katzenkrankheiten, -erziehung, -sprache, -angewohnheiten und –vorlieben aus. Besorgte Katzenklo, Streu, Bürste, ein stylisches Kratzmöbel aus Berlin, Nassfutter, Trockenfutter, Futterschälchen usw. So zog also das kleine Kätzchen bei mir ein und wurde zu einer der großen Lieben meines Lebens. Es brauchte lange, bis wir uns aneinander gewöhnten. Ich hatte ständig Angst um sie. Trotz allem sollte eine Katzentreppe in den Garten ihr den Weg in die Freiheit ermöglichen. Wenn ich an meinem Schreibtisch sitze, setzt sie sich mit Genuss auf meine Unterlagen, sie beißt herzhaft in meine Zehen, wenn ich um drei Uhr morgens nicht aufstehen will, um ihr einen kleinen Imbiss zuzubereiten. Sie klopft hartnäckig an meine Tür um nach zwei Minuten schon wieder hinaus zu wollen. Sie liebt Jazz, vor allem John Coltrane und Parmesan. Sie ist beleidigt, wenn ich zu lange weg bin und lässt sich dann selbst stunden-, ja tagelang nicht blicken. Sie ist treu und anschmiegsam, aber nicht zu. Sie schmeichelt und streichelt und will dann gekrault werden, wenn ich keine Zeit habe. Bevor ich verreise setzt sie sich in meinen Koffer. Sie spielt stundenlang draußen, fängt Mäuse und bringt mir tote Vögel als Zeichen der Liebe. Sie bevorzugt frisch gewaschene Bettwäsche als Schlafplatz und kratzt an der Couch um mich zu ärgern. Sie wartet sehnsüchtig auf meine Heimkehr, wirft sich auf den Boden vor mir und jauchzt. Dies sind die Momente, in denen sie ihre Selbstachtung verliert, wie ich meine, wenn ich in allzu kindischer Babyssprache mit ihr rede. Sie ist eine Haargummifetischistin. Wenn ich traurig bin, legt sie sich auf meinen Bauch. Sie ist eine Schwester und Freundin. Sie ist ein Mysterium und besser als Fernsehen. Sie ist anmutig und wild. Faul und übermütig. Sie macht, was wir Menschen viel zu selten machen. Schlafen und Spielen. Ich bin kein Katzenmensch. Ich bin ein Meinekatzemensch. Sie ist Teil meines Guten Lebens.

 

Audiovisuelles Schmuckstück A

Unser audiovisuelles Schmuckstück im April

Die Glücksmaschine

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Du streunst umher. Gehst über Wiesen an Bächen entlang, kommst zu einem kleinen Teich mit Seerosen. Die Sonne plagt deinen geschundenen Körper. Du hast Durst. Die Grillen zirpen. Die Mücken kreisen gierig um deinen Kopf. Du denkst daran, was du noch alles zu erledigen hast und an deinen letzten Streit. Die Natur tut dir gut, sie befreit deinen Geist. Du fühlst Dich unbefangener. Du holst tief Luft. Du bist jemand, der Blumen sieht, wenn er sie anschaut und Düfte riecht, wenn er einatmet. Dich trifft aber die Unbill des Lebens gleichermaßen, wie die Freude. Du tauchst tief in jede Emotion und manchmal wärst du gerne frei. Während du so herumwanderst, ohne Ziel, hörst du eine Stimme aus dem Wald. Die Glücksmaschine, ruft es. Kommen Sie meine Damen, meine Herren, treten Sie ein. Nehmen Sie Platz, wir bieten das ewige Glück. Du folgst der Stimme und stehst vor einem Zirkuszelt. Der Direktor lächelt geschäftstüchtig und bittet dich zur Tür hinein. Die Glücksmaschine, meine Dame. Nehmen Sie Platz. Nie wieder Trauer, nie wieder Schmerz, nur Lust, Euphorie und Freude verheißt sie dir. Wie? Nur Lust, kein Schmerz? Was muss ich dafür geben? Und was ist das für eine Lust, wenn sie von einer Maschine stammt? Nun, einmal an sie angeschlossen, wissen Sie nichts mehr von der Maschine. Alles wirkt echt, keine Glücksmaschine, kein virtuelles Geschehen, keine Kabel, alles erleben Sie gerade so, als wäre es ihr richtiges Leben. Der strahlende, attraktive Assistent des Direktors bittet dich mit ausholender Geste auf einen Ohrensessel mit Ottomane. Du setzt dich, legst deine Beine hoch und lauschst gespannt den Worten des Glücksmaschinenexperten. Das Beste ist, die Maschine kennt Ihre Wünsche schon. Sie lässt Sie leben, wie Sie es wollen, wie Sie es verdienen. Kein Verzweifeln, kein Verzagen, keine Erschöpfung, keine Scham. Keine Angst vor Zurückweisung, keine Niederlagen, kein Schnupfen oder Krebs. Der Partner Ihrer Träume, der sie hingebungsvoll liebt und Sie in jeder Lage versteht, dabei das Leben noch aufregender gestaltet. Erfolgreich und glücklich im Beruf, gefragt, gebraucht, geschätzt. Ihre Kinder ein Segen, die Freunde voller Bewunderung für Sie. Kinderlosigkeit wird nicht kritisiert. Sie beherrschen die Sportart, das Instrument, die Sprachen, die sie lieben. Ihre körperliche Verfassung ist blendend, ihre Muskeln gestählt. Ihr Geschmack erlesen, selbstbewusst, stilsicher und individuell. Sie reisen gerne und oft, kein Jetlag, keine miesen Hotels, keine Taschendiebe. Das Zimmer immer mit Meerblick, auf der Schitour Pulverschnee. Ein Auto, ein Zweitauto, aber sie fahren mit dem Rad. Keine Strafzettel, kein Wasserschaden, keine peinliche Situation. Nach dem Ausgehen kein Kater, die Musik immer die, die ihnen gefällt. Fürs Konzert sind die Karten nie ausverkauft. Ihre Schuhgröße ist immer zu haben. Sie lehnen sich zurück, werden angeschlossen und das Leben läuft, wie geschmiert. Du zögerst. Überlegst. Eine Glücksmaschine. Kann ich das wollen? Macht nur das Glück und die Lust das Leben gut? Du willst, willst nicht. Denkst nach. Müssen wir nicht Hoffen, Sehnen, Warten, Verzweifeln und Schmerzen in Kauf nehmen, um das Schöne, das Gute, die Freude, die Höhen und die Euphorie erst abgrenzen zu können? Sind wir nicht auf Gegensätze angewiesen? Wollen wir tatsächlich, dass das Glück uns nur zufliegt oder wollen wir etwas leisten, erreichen, etwas beherrschen, erarbeiten. Brauchen wir nicht auch den Schweiß auf der Stirn, den Muskelkater, das überzogene Konto, die Angst, das Bauchweh, die Blamage, den Liebeskummer, das Scheitern, die Einsamkeit, den Lärm? Ist das Gute das Billige? Das, was wir umsonst bekommen, das keinen Einsatz erfordert und keinen Verzicht? Ja, es ist ein berauschendes Gefühl, einfach nur Glück zu haben, aber wie schön ist es, wie erhebend, wie würdevoll, wenn wir etwas aus eigener Kraft erreichen, aus Überzeugung, entgegen größten Widerstand, wenn keiner an uns glaubt, man uns gar für verrückt hält oder durchgeknallt. Wenn wir glauben, wir schaffen das nicht mehr. Wir aber weiter machen. Nicht aufgeben. Warten. Uns gedulden. Jeder neue Tag eine neue Möglichkeit. Wie schön, wie gut, wie großartig, wenn wir uns selbst besiegen. Verzichten wir auf Geschenke, außer es handelt sich um Blumen oder Bücher. Seien wir uns selbst Geschenk, seien wir selbst Glückmaschinen für uns!

 

In Anlehnung an Robert Nozick´s  „The Experience Machine“ aus Anarchy, State & Utopia.

Bild: Marc Chagall „La Rêve“.