Der Hirt

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Obwohl einer meiner Lieblingsplätze der ist, an dem ich ein Buch in Händen halten kann, wandere ich sehr gerne in meiner Heimat umher. Auch wenn ich bei weitem keine Bergfex* bin, erfasst mich beim schweißtreibenden Erklimmen der (mir zugänglichen)schönsten Plätze Tirols die helle Freude. Ich liebe die urigen Wälder, die Bäche, die Ausblicke ins Inntal oder andere Seitentäler. Ich liebe das herzliche „Griast enk“ beim Aufeinandertreffen auch völlig unbekannter Gesichter. Ich liebe das Vogelgezwitscher, den frischen Wind, die Steine über die ich steige und das köstliche Essen oben auf der Alm. Trotz alldem sind diese kurzen oder längeren Ausflüge etwas Alltägliches. Heimat eben. Wir haben uns hier ein wenig an diesen Luxus gewöhnt. Dennoch habe ich heute einen Tag erlebt, der besondere Erwähnung verdient. Warum? Weil es sich bei unserem heutigen Ausflugsziel um eine Rarität handelt. Eine Rarität in mehrfacher Hinsicht.

Schon der Ausgangspunkt unserer Tour ist besonders. Vals. Innervals. Besonders einsam, besonders ursprünglich, besonders Tirol. Ein recht enges Tal, mit kleinen Kapellen und schönen Bauernhöfen. Das Tal läuft in einer breiten Wiese mit einigen Heustadeln aus. Nur eine kleine, enge Asphaltstraße führt bis dahin, wo es nicht mehr weiter geht. Es geht nicht weiter, weil die nun hochaufwachsenden, in den Himmel schießenden massiven Wände kein Weiterkommen mehr erlauben. Nur zu Fuß natürlich könnte man sich weiterkämpfen- bis auf den Olperer sogar, einen stolzen 3400er. Wir haben von diesem Ort, der Zeischalm schon gehört. Dort soll ein liebenswerter Hirt mit Hang zur Kunst nach dem Rechten und 50 Stück Rindern sehen. Wir passieren einen verzaubert scheinenden Erlenwald (die aussehen, wie Birken) mit kleinen Bächlein, Farnen und Moos und steigen dann langsam einen mächtigen Wasserfall zunächst immer vor Augen und dann schließlich nur noch im Ohr den steilen Hang im Lichtspiel des Waldes empor.

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Zweimal müssen wir Bäche kreuzen, die sich am Fuße von  gutmütigen Wasserfällen die über unseren Köpfen eher sanft abwärts tropfen angesammelt haben. Man hat uns die zahlreichen Wasserräder, die der Hirt mit großer Passion gebaut hat schon angekündigt. Manche drehen sich übermütig, manche stehen still und ignorieren bewegungslos das Wasser, das über ihnen hinweg rauscht. Ein unscheinbarer Weg zweigt ab und wir sehen nach noch einigen anstrengenden Metern unser Ziel vor Augen. Eine Alpe gesäumt von liebevoll angelegten Steinmauern, die, wie ein Tor einen Spalt für die Besucher offen lassen. Und dann kommen wir aus dem Staunen nicht heraus. Skulpturen aus Ästen und aus Stein geleiten den Weg zu den Gebäuden, die die Zeischalm bilden. Von weitem begrüßt uns der freundliche Hirt und eine Handvoll Gäste.

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Wir waren auf dem Weg herauf nur zwei Menschenseelen begegnet, man freut sich hier droben auf Besuch.  Man bietet uns einen Platz auf der Bank und einen Schnaps an. Man setzt sich zusammen und erzählt kurz. Woher man kommt, ob man diesen oder jenen kenne. Und dann berichtet der Hirt kurz aus seinem Leben. Das muss er wohl häufig im Sommer. Er tut es bereitwillig, so scheint es. Er habe immer nur hart gearbeitet, trotzdem sei er an jedem freien Wochenende vom Frühjahr bis in den Herbst und auch stets in den Ferien hier heraufgekommen. Auch seine Frau sei immer dabei gewesen. Nun in der Pension bleibt er den ganzen Sommer hier droben. Seine Frau kommt nur noch am Wochenende. („Zum Aufbetten“). Er hat lebendige Augen. Er hat weise Augen. Es scheint so, als habe er etwas verstanden, was viele nicht verstehen. Er hat verstanden, mit der Natur zu leben und sich zu begnügen.

IMG_5324Oftmals hat man den Eindruck, der Mensch sei nur Eindringling. Hier heroben auf der Zeisch ist alles in perfekter Harmonie. Jeder Stein, gefunden im unwegsamen Gelände und mühevoll heruntergeschleppt hat genau den Platz gefunden, der für ihn richtig ist. Einmal als nützlicher Alltagsgegenstand, einmal als Zierde. Gut versteckt hinter der Alm hat der Hirt eine kleine Kapelle gebaut. Ebenfalls dahinter, auf der anderen Seite, finden wir den Luxus einer Außendusche umgeben von einer kleinen Steinmauer vor.

Ein Stück weiter über der Alm eröffnet sich dann ein Platz, den man als magisch bezeichnen muss. Er könnte ebensogut weit im Norden, auf der schottischen Insel Skye etwa liegen, in Irland oder in einer längst vergangenen Zeit. Es könnte sich mit Phantasie um einen keltischen Kultplatz handeln. Ungern verwende ich in Zeiten des Baumumarmens  den esoterisch vereinnahmten Ausdruck „Kraftplatz“, doch es lässt sich hier gut sitzen und auf eine mächtige Bergwand vor und ins Valstal mit seinen wenigen Häusern hinter uns blicken. Es thront hier  stolz des Hirten prächtigstes Werk, ein vier Meter hoher Steinmann. Es lässt sich gut sitzen hier und schauen und atmen.

Es war ein schöner Tag  und ein besonderer. Ich denke nochmals über den Hirt nach. Was er uns über sein Leben erzählt hat, scheint am unwichtigsten. Unwesentlich. Nicht zum Wesen des Hirts gehörig. Was mir viel mehr von ihm erzählt ist sein Sein hier droben. Sein langsames Leben hier. Seine Distanz zur Welt. Sein Einssein mit der Natur. Er trägt an jenem Tag so und so viele Steine von da nach dort und baut eine Mauer, ein Kunstwerk oder ein Artefakt. Er hütet das Vieh. Er sitzt am Abend allein da droben und betet vielleicht. Er freut sich über Besuch, er ist stolz auf sein Königreich. Er, der Hirt ist hier der König, obwohl die Alm nicht einmal sein Besitz ist. Besitz ist hier aber nicht wichtig. Nicht Haben, sondern Sein. Er freut sich, wenn die Leute wieder gehen und wenn es still wird auf der Zeisch, so mutmaßen wir.

Dieser Ort zeigt, dass der Mensch und die Natur, dass der Mensch und die Welt gar nicht so schlecht zueinander passen, wenn der Mensch auf sie Acht gibt. Dieser Ort zeigt auch, dass man am wenigsten das ist, was man da unten ist im Alltagstrott und in der Geschwindigkeit der eiligen Zeit. Dieser Ort zeigt, wer man ist, wenn man Herkunft, Beruf, Sorgen und vielleicht sogar seine Geschichte wie Kleidungsstücke Schicht für Schicht abgelegt hat und nur das pure Dasein, das In-der-Welt-sein übrig bleibt. Dieser Ort zeigt, wie wenig der Mensch zum Leben braucht, damit er ist.

Aber es ist wahrscheinlich ein Trugschluss. Es ist nicht wenig, was der Mensch braucht. Es ist ein Viel. Es ist eine unendliche Kostbarkeit. Es ist unbezahlbar. Es ist so viel mehr.

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*Bergfex: typischer Bewohner der Tiroler Alpen. Verbringt den Großteil seiner Freizeit in den Bergen, wobei häufig die Anzahl der zurückgelegten Höhenmeter ausschlaggebend für den Erfolg oder Misserfolg der Bergunternehmung ist.

Freundschaft

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Max Frisch Fragebogen zur Freundschaft 

 

1.Halten Sie sich für eine gute Freundin?

            Gabi: Ja. 

            Rosi: Ja. Bin ich. Ich gebe viel von mir, verlange aber auch viel.

2.Was empfinden Sie als Verrat? 

            Gabi: ? Blöde Frage

            Rosi: besonders schwierig finde ich Situationen, in denen Beziehungen in die    Brüche gehen oder man  von Menschen verletzt wurde, wie sich dann Freunde positionieren und dass man diese Position aushalten muss. Verrat ist für mich, wenn man Positionen einnimmt und diese dann nicht offen legt.

           Gabi: stimmt! 

3.Wie viele Freunde haben Sie zur Zeit?

            Gabi: ca 5

            Rosi: 5-7 (Nähe ist Schwankungen unterworfen)

4.Halten Sie die Dauer einer Freundschaft (Unverbrüchlichkeit) für ein Wertmaß      der Freundschaft?

            Gabi:  ja, schon, ist aber kein Garant für Freundschaft.

            Rosi:  Wert und Schwierigkeiten steigen im Laufe der Zeit.

5.Was würden Sie einem Freund nicht verzeihen:

Doppelzüngigkeit?

            Rosi:  niemals! (Bin aber auch keine Heilige)

            Gabi:  kann ich mir selbst schlecht verzeihen           

….dass er Ihnen einen Mann ausspannt?

            Gabi: das könnte ich sehr schlecht verzeihen, obwohl ich vielleicht versuchen        würde, es zu verstehen

            Rosi: kann man allerdings oft erst Jahre später beurteilen

dass er Ihrer sicher ist?

            Rosi: find ich eigentlich schön, was soll daran unverzeihbar sein?

            Gabi: nein,wieso?

Ironie auch Ihnen gegenüber?

            Rosi:kann ich schlecht ertragen, aber trotzdem verzeihen

           GabiNein, kann ich aushalten

….dass er keine Kritik verträgt?

            Gabi: kann ganz schön anstrengend werden

            Rosi: Oh! Das macht´s schwer!

…..dass er Personen, mit denen Sie sich verfeindet haben, durchaus schätzt und gerne mit ihnen verkehrt?

            Rosi: ist für mich ein großes Problem, ich arbeite daran

            Gabi: ich kenne keine Verräter und Feinde

……dass Sie keinen Einfluss auf ihn haben?

            Rosi: ich glaube, diese Möglichkeit kann man unter Freunden ausschließen.

            Gabigar keinen Einfluss wär komisch. 

6. Möchten Sie ohne Freunde auskommen können?

            Rosi: Manchmal, wenn ich mich unverstanden fühle. 

            Gabi: Nein, stelle ich mir nicht schön vor. 

7. Halten Sie sich einen Hund als Freund? 

            Gabi: Ja. Den besten der Welt

            Rosi: Nein, eine Katze.

8. Kennen Sie Freundschaft mit Männern:

vor Geschlechtsverkehr?

            Rosi: irgendeine Form von Beziehung und Zuneigung ist immer da, auch wenn  diese            flüchtig sein kann

            Gabija natürlich

nach Geschlechtsverkehr? 

            Rosi: Ja und nein 

            Gabi: ja, sicher (wenn ich mich nicht mit ihm zerstritten habe)

ohne Geschlechtsverkehr?

            Rosi: haufenweise, sodass ich mich frage, kann da was nicht stimmen?:-))

            Gabi: ja sowieso, kenn ich 

  9. Was fürchten Sie mehr? Das Urteil von einem Feind oder von einem Freund?       Warum?

            Rosi:  Wenn die Urteile ehrlich und gerechtfertigt sind, kann man an ihnen   wachsen, egal ob von Freund oder Feind.

            Gabi:  Urteile von Freunden sind mir wichtiger, aber wozu fürchten? Und Feinde habe  ich nicht…

  10. Gibt es Feinde, die Sie insgeheim zu Freunden machen möchten, um sie müheloser verehren zu können? 

            Gabi:  ? Nein !total blöde Frage

            Rosi: Feind bleibt Feind

11. Wenn jemand in der Lage ist, Ihnen mit Geld zu helfen, oder wenn Sie in der Lage sind, jemand mit Geld zu helfen: sehen Sie darin eine Gefährdung der bisherigen Freundschaft?

            Gabi: ja. Geld ist immer ein schwieriges Thema. Werde ich ausgenützt, ist die    Freundschaft in Gefahr.

            Rosi: Geld und Freundschaft sollte man nicht mischen. Heikel!   

12. Wie viel Aufrichtigkeit von einem Freund ertragen Sie in Gesellschaft oder schriftlich oder unter vier Augen?

            Gabi: vertrage ich gut, finde ich wichtig. In Gesellschaft könnte er sich ruhig ein   bisschen  zusammenreißen, ansonsten wünsche ich mir Aufrichtigkeit. Ich erwarte keine Schonung, nur weil man  befreundet ist. Schriftlich immer gerne, unter vier Augen am besten.

            Rosi: ich erwarte und wünsche mir Ehrlichkeit und dann kommt es auf die Umstände an.

13. Worauf sind Sie aus dem natürlichen Bedürfnis nach Freundschaft öfter hereingefallen:

auf Schmeichelei?

           Gabi:Vielleicht

           Rosi:ich glaube, dafür habe ich eine Schwäche, aber könnte glaub ich sehr schnell Lüge von Aufrichtigkeit  unterscheiden.

auf Landsmannschaft in der Fremde?

           Gabi:schon mal

           Rosi:ja, das kann ein seltsames Band sein, muss sich dann aber in der Heimat     bewähren.

auf die Einsicht, dass Sie sich eine Feindschaft in diesem Fall gar nicht leisten können, z.B. weil dadurch ihre berufliche Karriere gefährdet wäre?

          Gabi: Nö. Wieso man bloß immer mit irgendjemandem verfeindet sein sollte??

          Rosi: ich bin viel zu impulsiv, als dass ich aus Kalkül Freundschaften eingehen  könnte.

auf Ihren eigenen Charme?

         Gabi:?Nein

         Rosi: wie fällt man aus seinen eigenen Charme herein?

weil es Ihnen schmeichelt, wenn Sie jemand, der gerade Ansehen genießt, öffentlich als Freund bezeichnen können (mit Vornamen)?

         Gabi: Pfff.(lacht) auf jeden Fall …

         Rosi: darum erwähne ich meine Freundschaft mit G. nicht oft genug   (lacht auch…)

auf ideologisches Einverständnis?

         Gabi: Schon eher

         Rosi: ist das etwas, worauf man „hereinfällt“?

14. Wie reden Sie über verlorene Freunde?

         Gabi: mit Wehmut? verlorene Freunde machen mich meistens traurig.Ich finde es schade, Freunde zu  verlieren.

         Rosi:ist immer traurig und unangenehm und wie ein Stachel im Fleisch. Ich emfinde echt gute Freunde im  Leben  hinter sich lassen zu  müssen als schmerzhaft, habe aber auch schon so etwas,  wie Befreiung erlebt, denn nicht jede Freundschaft erweist sich immer als  wohltuend.

15. Gibt es Freundschaft ohne Affinität im Humor?

        Gabi: gibt es schon, aber viel wunderbarer ist es doch, wenn man denselben            Humor hat.

        Rosi: das ist das Beste (oder Gabi?)

16. Was halten Sie ferner für unerlässlich, damit Sie eine Beziehung zwischen zwei Personen nicht bloß als Interessen-Gemeinschaft, sondern als Freundschaft empfinden:

       Gabi: Wohlgefallen am andern Gesicht

       Rosi: mir gefallen meine Freunde alle! Ich finde sie schön.

…dass man sich unter vier Augen einmal gehenlassen kann, d.h. das Vertrauen, dass nicht alles ausgeplaudert wird

       Gabi: ja das gehört dazu

       Rosi: ganz bestimmt!

politisches Einverständnis grosso modo

       Rosi: je älter ich werde, umso wichtiger wird mir das.

       Gabija doch, sonst wird es schwierig, oder?

…dass einer den andern in den Zustand der Hoffnung versetzen kann nur schon dadurch, dass er da ist, dass er anruft, dass er schreibt

       Rosi:ja Freunde sind Menschen, die Hoffnung tragen und mit sich bringen

       Gabi: ja, hach wie romantisch

Nachsicht

      Rosi & Gabi: sicher!

Mut zum offenen Widerspruch, aber mit Fühlern dafür, wieviel Aufrichtigkeit der andere gerade noch verkraften kann, und also Geduld

      Rosi: wäre schön, da verlangt man aber auch viel!

     Gabi:ja das finde ich wichtig

…dass man dem andern ebenfalls Geheimnisse zubilligt, also nicht verletzt ist, wenn etwas auskommt, wovon er nie gesprochen hat

      Rosi:Hm….

      Gabi: tja…

Verwandtschaft in der Scham

       Rosi:? Schöner wäre Verwandtschaft der Seele

wenn man sich zufällig trifft: Freude, obschon man eigentlich gar keine Zeit hat, als erster Reflex beiderseits

      Rosi: wenn das nicht der Fall ist, handelt es sich wohl nicht um  Freundschaft

      Gabi: genau!

dass man für den andern hoffen kann

       Rosi: absolut!

       Gabi:ja klar

die Gewähr, dass der eine wie der andere, wenn eine üble Nachrede über den andern im Umlauf ist, zumindest Belege verlangt, bevor er zustimmt

       Rosi: das wäre schön. Ich würde solche Belege für meine Freunde verlangen! Ich habe sowieso so etwas wie einen angeborenen Reflex andere immer verteidigen zu müssen.

      Gabi:ja das fände ich auch schön.

Treffpunkte in der Begeisterung

       Rosi: das wäre herrlich, aber auch sich an der Begeisterung seines Freundes  zu freuen ist für beide wunderbar, oder?

      Gabija, genau!

Erinnerungen, die man gemeinsam hat und die wertloser wären, wenn man sie nicht gemeinsam hätte.

       Rosi:j a das schweißt zusammen, ohne Frage

Dankbarkeit

        Rosi: für die Freundschaft? Wertschätzung fände ich ein besseres Wort.

…dass der eine den andern gelegentlich im Unrecht sehen kann, aber deswegen nicht richterlich wird

        Rosi: das muss aber ein guter Mensch sein, der das alles kann…

Ausfall jeder Art von Geiz

        Rosi: Geiz ist eine Eigenschaft, die ich gar nicht mag.

  …dass man einander nicht festlegt auf Meinungen, die einmal zur Einigkeit führten, d. h. dass keiner von beiden sich ein neues Bewusstsein versagen muss aus Rücksicht? (Unzutreffendes streichen.)

        Rosi: ja, das müsste möglich sein. Aber kann zu Konflikten führen, glaub ich.      

        Gabi: Ja,das alles!       (Rosi zu Gabi: ist das faul oder pragmatisch? Lacht!)

17. Wie groß kann dabei der Altersunterschied sein?

       Gabi: Hmm. Der ist egal, oder? Meine Freunde sind allerdings meist nicht viel älter oder jünger als ich…

       Rosi: Alter spielt für eine Freundschaft keine Rolle. Ich habe Freunde, sie sind 20 (oh Gott! Jahre jünger und 10 Jahre älter. )

18. Wenn eine langjährige Freundschaft sich verflüchtigt, z.B. weil die neue Gefährtin eines Freundes (oder umgekehrt) nicht zu integrieren ist: bedauern Sie dann, dass Freundschaft einmal bestanden hat?

            Gabi: Nein. Ich bin traurig darüber

            Rosi: Man tendiert vielleicht als Mensch im Allgemeinen dazu Dinge und Menschen            abzuwerten, damit man den Verlust besser erträgt…

19. Sind Sie sich selber ein Freund?

           Gabitja, ich würde sagen, wir freunden uns gerade an

           Rosi: ja, ich versuche es und halte es für essentiell (und es macht das Leben       leichter!) 

20. Woher weiß ich, dass mich jemand um meiner selbst willen zum Freund will oder ob er irgendwelche Interessen verfolgt?

            Gabi: ja, das möchte ich auch sehr gern wissen. Da bin ich bei neuen  Freundschaften immer sehr vorsichtig und es dauert lange, bis ich  jemandem wirkliches Vertrauen schenke.

            Rosi: ich weiß nicht, von welchem Nutzen ich jemandem sein könnte, denn als  Freundin?

 

Resumeé:

Gabi und Rosi sind seit Jahren gute Freundinnen. Sie denken mit Hilfe von Max Frisch Fragebogen gemeinsam über Freundschaft nach. Sie waren ganz schön gefordert. Besondere Schwierigkeiten bereiten Gabi Ausdrücke wie Feind oder Verrat, die sie nicht unbedingt in Zusammenhang mit Freundschaft bringen würde. Sie freuen sich aber, dass sie sich in so vielen Dingen einig sind. Freundschaft eben!

 

 

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In a world, where you can be anything, be kind!

IMG_4160Was wir von Aristoteles lernen können.

 Die englische Zuschreibung, die Eigenschaft, das Prädikat „kind“ ist für mich mit nur einem Wort nicht ins Deutsche übersetzbar, so viel drückt es aus, so viel an erstrebenswerter Tugend. Tugend, ein altes Wort, kaum noch gebraucht, dennoch brauchen wir es noch, dringender als je zuvor. Ich mache mir oft Gedanken darüber, was es heißt „kind“ zu sein. Ich möchte versuchen zu erklären, warum es für mich so unermesslich wichtig und gleichzeitig so schwierig ist, dem gerecht zu werden. Nun habe ich zunächst das Wörterbuch konsultiert und nachgelesen, welche Übersetzungen angeboten werden: nett, gütig, lieb, menschlich, liebenswürdig, freundlich, human, geneigt, wohlwollend, …Wir würden wohl am häufigsten von freundlich sprechen. Ein freundlicher Mensch, ein freundliches Gespräch, lächelnd, sonnig, süß. Freundlich ist zu wenig. Mich hat Barack Obamas Rede sehr bewegt, in der er sich bei seiner Familie bedankt und von seinen Töchtern folgendermaßen spricht: sie seien schön, sie seinen klug und gebildet, aber was ihn am meisten stolz auf sie machte sei, dass sie „kind persons“ seien. Das, was ich und vermutlich auch Obama meinte, wird wohl am ehesten mit gütig oder menschlich getroffen, mit geduldig, großzügig und nachsichtig. Da ich mich aus technischen Gründen nun mit einer Übersetzung zufriedengeben muss, wähle ich „gütig“ und bitte, alle anderen Attribute großzügig mitzudenken. Gütig kommt von gut. Wir können heute alles sein, alles erreichen. Wir können schön werden, uns bilden, Informationen fluten uns, wir können uns einen fitten Körper antrainieren und Sprachen erlernen, wir können uns stattliches Wissen über Musik, Kunst, Politik und zeitgenössische Architektur aneignen. Es bereitet uns keine Probleme, älteren Menschen einen Platz im Bus zu überlassen und Amnesty International mit kleinen oder größeren Spenden zu bedenken. Wir können uns mindestens einmal pro Woche bei unseren Eltern melden und keinen Geburtstag vergessen. Wir essen so wenig Fleisch, wie möglich und geben uns Mühe, nicht rassistisch, homophob oder in sonst irgendeiner Weise intolerant zu sein. Aristoteles nennt einige Tugenden: Tapferkeit, Gerechtigkeit, Klugheit, Maßhalten und ähnliches. Für mich ist die Königin unter den Tugenden heute, in unserer modernen Welt des Narzissmus, der Selbstdarstellung, des Zahn-um-Zahn, der Ellbogentechnik, des „Survival-of-the-fittest“, des überbordenden Individualismus die Güte oder die „Kindness“. Ich erinnere mich an eine Szene aus dem bewegenden Film „Moonlight“ in dem das Erwachsenwerden eines schwarzen Jungen in Miami geschildert wird. Der kleine Chiron fragt seine erwachsenen Freunde, was denn eine „Fag“, eine „Schwuchtel“ sei. „Eine Schwuchtel ist ein Homosexueller, ein Mann, der einen Mann liebt, und so weiter und so fort“ dachte es in mir. Ich wurde eines Besseren belehrt und schämte mich. Ich schämte mich, weil ich mich in jenem Moment ertappte, nicht gütig, nicht wohlwollend und behutsam gedacht zu haben. Güte beginnt damit, wie wir denken. „Eine Schwuchtel ist nicht gleich Homosexueller“ so erklärt Chirons Freund ihm vorsichtig, „es ist eine Beleidigung für schwule Menschen. Du kannst schwul sein, aber lass dich nie eine Schwuchtel nennen“. Das saß. Ich war in Gedanken, ohne Zeugen und ohne meine Worte laut auszusprechen überführt worden, nicht gütig gewesen zu sein, nicht großherzig, nicht unvoreingenommen, nicht „kind“. Der griechische Philosoph Aristoteles lehrt uns, dass man Tugenden erlernen kann, erlernen muss. Dass sie uns zu einer zweiten Haut werden können. Wir müssen allerdings üben. Beständig und mit Fleiß. Das ist schweißtreibend und anstrengend. Vor allem leidenschaftliche und impulsive, engagierte und interessierte Menschen werden oft von ihren Urteilen übermannt, von ihren vorschnellen Reaktionen, von Unbesonnenheit und Spontanität, dem oftmals besser einige Sekunden ruhigen Abwägens vorausgehen sollten. Ich kenne das. Aber wir alle können gütige Menschen werden. Und gütig, nachsichtig und großzügig zu sein, macht froh und glücklich. Tapfer wird man, so Aristoteles, indem man tapfer ist. Mutig, indem man mutig ist und gerecht, indem man gerecht ist. Immer mit dem rechten Maß. Immer, so soll man, auch was die Güte betrifft, die Mitte finden. So würde Aristoteles kaum von uns verlangen zu einem Menschen, der uns verletzt oder beleidigt, gütig zu sein. Es gibt Momente im Leben, in denen es angebracht ist, zornig zu sein, traurig oder wütend. Tugendhaft leben, heißt nicht immer freundlich zu sein und höflich zu lächeln. Tugendhaftsein ist mit Maß die Mitte zu treffen, die Mitte zu uns und die Mitte zur Situation. Um ein glückliches und gutes Leben leben zu können, sollen wir uns Tugenden aneignen, die uns zum Habitus, zur Haltung werden. So wähle ich, in einer Welt, in der man alles sein kann, „kind“ zu sein, den Menschen wohlwollend gegenüber zu treten, menschlich zu sein in einer unmenschlichen Welt. Lernen wir, keine vorschnellen, kränkenden Urteile zu fällen, sei es auch nur in Gedanken. Von Aristoteles kann man viel lernen, zum Beispiel ein gutes Leben leben. Und wenn ich es selbst nie schaffe, so gütig zu sein, wie ich es mir wünsche, sind es die gütigen, die wohlwollenden, die großzügigen und die geduldigen Menschen, die ich am meisten bewundere.

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Aristoteles ( Ἀριστοτέλης  * 384 v. Chr.   † 322 v. Chr. ) gehört zu den bekanntesten und einflussreichsten Philosophen und Naturforschern der Geschichte. Sein Lehrer war Platon, doch hat Aristoteles zahlreiche Disziplinen entweder selbst begründet oder maßgeblich beeinflusst, darunter Wissenschaftstheorie, Naturphilosophie, Logik, Biologie, Physik, Ethik, Staatstheorie und Dichtungstheorie. Aus seinem Gedankengut entwickelte sich der Aristotelismus.

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Kleine Liebe

Viele haben die große Liebe hinter sich. Manche träumen noch von ihr. Und wissen dabei gar nicht recht, was das sein könnte, denn so wenig Erfahrung hat man mit ihr. Manche müssen sich gar korrigieren. Was sie einst für die eine, große, wahre Liebe hielten hat sich im besseren Fall als Seifenblase im schlimmsten Fall als Desaster erwiesen. Eine Frau berichtet in einem Interview von ihrem Leben. Vom Leben „allein“. Mich hat diese Frau und was sie gesagt hat berührt. Ihre Schilderungen waren jenseits aller Klischees. Sie hat von einem Phänomen berichtet, das sie „Mikro-Liebe“ nennt. Dieser Ausdruck „Mikro-Liebe“ gefällt mir nicht. Was sie damit meinte umso mehr. Die Verbindung vom Terminus technicus „micro“, einer physikalischen Größe, die ein Millionstel zum Ausdruck bringen soll mit dem weiten, ausuferndem Begriff der Liebe, will mir nicht so recht zusammenpassen. Ich will es „Kleine Liebe“ nennen und erklären, was damit gemeint sein könnte.

Alle sind wir Glücksjäger und jagen dem Glück oft so beharrlich hinterher, dass wir ganz übersehen, welches Glück uns alltäglich begegnet. Seelig diejenigen, die das Glück der kleinen Dinge wahrnehmen können. Klein ist das Glück oder klein die Liebe, weil sie sich nicht vor uns in aller Pracht und Gewalt aufrichtet und uns den Weg und den Blick verstellt. Die große Liebe bricht wie eine Naturgewalt über uns herein, lässt keinen Stein auf dem anderen, manchmal wächst kein Gras mehr. Wir vernachlässigen unsere Freunde, unsere Ambitionen, das, was uns wichtig ist und vor allem das, was wir sind, um ganz in diesem Gefühl aufzugehen und von dieser Welle fortgetragen zu werden. Die kleine Liebe ist nicht aufdringlich. Man muss sich nach ihr bücken. Manchmal muss man einen Stein erst aufheben, um sie darunter zu entdecken. Sie ist leise. Dafür begegnet sie uns häufig. Kleine Liebe sind tiefe Gespräche mit unseren Freunden oder unserem Langzeitpartner, in denen wir das Gefühl vollkommener Nähe und Übereinstimmung haben. In denen wir uns gesehen und verstanden fühlen. In denen wir Dinge, Erlebnisse und Freuden teilen. Kleine Liebe ist enthusiastisch Pläne schmieden, Utopien spinnen und trotz „forty-something“ von einer besseren Zukunft träumen. Kleine Liebe ist sich gemeinsam sorgen, um sich dann wieder zu beruhigen.  Kleine Liebe ist das Aufgehen in einer Geschichte, in der wir uns selbst erkennen, die uns einen Spiegel vorhält, deren Sätze uns glücklich machen. Sie kommt aber auch in der Gestalt einer kurzen, flüchtigen Begegnung mit einem uns völlig fremden Menschen. Der Blick des Anderen, den wir auffangen und uns länger als üblich in dieser fremden Vertrautheit verlieren. Wir lächeln. Wir stimmen in etwas überein. Ein ganz kleiner Moment der Nähe und des Verstehens. Die Kleine Liebe begegnet uns, wenn wir etwas leisten und stolz auf uns sind, wenn wir über uns hinauswachsen und mutig sind. Wenn wir Neues ausprobieren und riskieren. Sie begegnet uns dann als unsere Welt in der Welt. Wenn wir uns als Teil von etwas wahrnehmen können. Die Kleine Liebe ist das schemenhafte Erkennen und Anerkennen unserer Selbst. Wenn wir ja zu uns sagen und wir selbst Objekt unserer Liebe sind. Wenn wir über uns selbst lachen können als verschmitzte Komplizen unserer Eigenarten und Makel. Wer kennt nicht die Momente, in denen laute Musik und wildes Tanzen uns mit Freude erfüllen oder Augenblicke allein im Wald uns stille Zufriedenheit schenken. Wenn wir auf unser bisheriges Leben zurückblicken sind es die großen Lieben, die uns aus der Bahn geworfen haben, die kleinen Lieben aber sind es, die uns auf Kurs halten und uns nach wilder Fahrt wieder in den Hafen finden lassen, die unsere Geschichte geschrieben haben, die uns zu Personen machen, die uns zu „uns“ machen. Kleine Lieben heilen die tiefen Wunden, die uns die große Schwester zugefügt hat. Wie gut es das Leben mit uns meint, wenn aus der kleinen Liebe die große, oder aus der großen, die beständige kleine wird.

Gesammelte Träume

 

 

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Träumen

Wie das weiße Blatt Papier auf das wir unsere Geschichten schreiben ist der Schlaf worauf wir unsere Träume malen. Wie bunt und knallig waren unsere Kinderträume. Rosa, himmelblau und mint, sonnengelb und lila. Heute sind unsere Träume schnell und grau. Wir rasen, fallen und laufen. Wir rennen weg oder auf etwas zu. Schnell sind unsere Träume heute, langsam waren sie einst. Wir wateten durch Schlamm und Matsch oder durch Zuckerwatte und meterhohen Schnee. Wir kamen nur langsam voran. Sooft mussten wir stehen bleiben, um zu staunen, zu schauen und uns zu wundern. Keine Pfütze, keine Lacke wurde ausgelassen. Hopp! Hinein gesprungen. Auf dem Kopf eine Krone oder Augenbinde. In der Hand einen Zauberstab oder das Steuerrad. Wir traten ein in eine fremde Welt. Takatukaland, Phantasien, das Land hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen, die Pirateninsel, das Lummerland oder das Königsschloss. Wir waren Prinzessinnen und Königinnen, Eroberer, Löwenbändiger und unerschrockene Forschungsreisende. Wir suchten nach Drachen und verborgenen Seen. Kleine Bäche waren uns wilde Ströme und die Kieselsteine am Wegesrand waren aus Gold. Heute Indianer, morgen Astronaut. Wir flogen auf den Mond. In der Tasche ein paar Groschen und ein Taschentuch. Die Heldinnen unserer Kindertage waren nicht mit uns, wir waren sie. Was war wirklich, was war es nicht? Wir vermochten es nicht zu sagen. Wir lebten in dieser Welt, ganz in uns versunken und verloren, aufgesogen von der Phantasie. Im Fluss, im Bann einer Geschichte, unserer Welt. Keine Erwachsenen gab es dort oder Sorgen. Regeln haben wir uns selber gemacht. Nichts war verboten. Keine Eile, kein Schlafengehen. Keine Angst? Oh, wie groß konnte sie sein, die Furcht. Vor Tigern, Ungeheuern, Hexen oder bösen Geistern. Doch wir haben sie immer bezwungen, die Angst. Anders als heute, wo sie uns bezwingt. Wir gewannen jeden Kampf mit List, mit dem Schwert, mit Pfeil und Bogen. Zaubertränke konnten wir brauen und Zaubersprüche sagen. Wir verwandelten Kröten in weiße Pferde. Wir ritten dahin und flogen durch die Prärie. Segelschiffe haben wir gelenkt und Riesen besiegt. Nichts war unmöglich, kein Abenteuer zu wild. In dunkle Höhlen sind wir gekrochen nur eine kleine Kerze in der Hand. Wir kannten keinen Hunger, keinen Durst. Wir waren nie müde, nie war Schlafenszeit. Mit Tieren konnten wir sprechen egal ob aus Stoff oder Fleisch und Blut. Warum scheinen sie uns so weit weg, unsere Kindertage? Unsere Kinderträume. Sind sie uns verloren gegangen? Haben wir nicht auf sie aufgepasst? Und wer kann schon sagen, was wahr ist? Die Phantasie, die Erinnerung, der Traum? Warum sollten sie nicht gerade so echt sein, wie der Tag im Sonnenlicht. Manchmal, auch heute noch, wachen wir auf, ganz benommen und eingelullt. Manchmal passieren sie uns auch heute noch, die schönen Träume. Am Abend, im Zwielicht, im eigenartigsten Zustand zwischen Wachen und Schlaf. Zwischen hier und dann. Zwischen da und dort. Und nochmals frage ich dich, wer kann es sagen, was wahr, was geträumt oder was erinnert ist? Wie fühlt es sich an, zu träumen für Dich? Was ist anders, an der Freude im Traum, am Geschmack von Salz und Meer im Gesicht, wie unterscheidet sich der süße Kuss im Traum, von dem, den Du mir gegeben hast am anderen Tag? Nie! Niemals dürfen wir das Träumen vergessen. Wir verstehen uns darauf. Wir bauen uns unsere Welt und unseren Unterschlupf. Wir haben einen Zufluchtsort, da drüben. Leg Dich hin, deck dich zu, wickle dich ein. Roll dich ein und schling die Decke um deinen Leib. Den Kopf wohlig getragen, fang an. Träume! Mach die Augen zu und brich auf. Schau dir die Bilder an, die dein Geist dir erzeugt. Lenk sie, mal sie an. Lass sie laufen, färb sie rosarot. Nimm Fahrt auf und sei mutig. Leg dich hin unter den Birnenbaum. Schau in die Blätter hinauf und tauch ein in den Schlaf. Hol sie zurück, die glückliche Kinderzeit, als das Träumen noch unser Alltag war. Traum oder Wirklichkeit- wer kann es schon sagen? Werde Kind. Bleibe Kind. Sei immer Kind. Verbringe Zeit mit einem Kind. Lass Dich ein auf das Spiel. Spiel doch mehr! Es ist so gut.

 

 

 

 

Weit hinaus

Das Gute im Leben ist, dass uns Dinge manchmal einfach so passieren. Wir begegnen tollen, schönen Menschen, wir finden dieses eine Buch,  an dem wir uns nicht sattlesen können. Wir haben diesen einen unglaublich kreativen Gedanken. Wir lassen plötzlich etwas los und machen ganz viel Platz für Neues ODER er kommt zu uns, dieser eine, wunderbare Song, der uns berührt und nicht mehr los lässt. Einfach so.

https://youtu.be/4qSyqXWBdXI

Hund

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Dass mir mein Hund das Liebste sei,

 

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sagst Du oh Mensch sei Sünde,

 

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mein Hund ist mir im Sturme treu,

 

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der Mensch nicht mal im Winde.

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Fotos: Jule Fritzsche

Gedicht: Franz von Assisi

 

Katze

IMG_2217Katzenmensch? Ich bin keiner, dachte ich. Ich fürchtete mich. Zu unberechenbar, zu grob, zu eigensinnig. Ja unsympathisch konnten Katzen geradezu sein. Ich hatte Angst vor ihren Krallen, vor ihren Zähnen und empfand Katzenhaare als Beleidigung jeder schönen Kleidung. Ich stellte mir nur zerkratze Möbel vor und traumatisierte Kleinkinder. Ich schloss dann aber im Laufe des Lebens sehr lockere Freundschaften mit den Katzen meiner Freunde. Sollte sich einmal eine auf meinen Schoß verirren, hörte ich auf zu atmen, kraulte aber bemüht und wartete auf die Attacke. Die blieb meist aus. Eh! Irgendwie schienen sie mich zu mögen. Sie kommen zu dir, weil du es nicht magst. Auf Grund irgendeiner schicksalshaften Wendung in meinem Leben begegnete ich aber dann: meiner Katze. Ein Baby, gerade geschlüpft. Ich war zur Bewunderung der eben geborenen Katzenkinder geladen. Es waren drei. Zwei graue Tiger und ein roter. Zuvor wurde mir schon von diversen gutmeinenden Bekannten zur Anschaffung einer Katze geraten. Ich blieb skeptisch. Ich mag sie nicht. Ich habe Angst. Ich kann nicht für so ein Katzentier sorgen. Aber dann der Tag x. Der Katzenbabytag. Ich konnte meine Augen nicht von ihr lassen, von dieser Mini-Löwin. Eine Miniaturbestie, die ihr Mäulchen in drohend dramatischer Geste aufreißen konnte wie ihre verwandten Großkatzen. Graziös-tollpatschig. Anschmiegsam, selbstbewusst. Kindchen-Schema. Kein Erbarmen. Ich überlegte. Hin und her. Sollte ich dieses Wesen bei mir einziehen lassen? Katzenklo. Eine abschreckende Vorstellung. Meine schönen Möbel, mein Bett, mein Sofa, meine Wohnung, meine Freiheit. Nein, lieber nicht. So sehr ich mich auch wehrte, konnte ich nur noch an dieses kleine elegante Geschöpf denken, das meine Freundin und Gefährtin werden könnte. Zerkratztes Gesicht. Zerkratze Arme, zerkratze Kissen, zerbissene Schuhe. Aber dann der Reiz, ein so kleines, zartes und autonomes Wesen um mich zu haben.

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Aber Katzenbesitzer zählen doch bekanntermaßen zu den schrulligen Zeitgenossen. Alte Jungfern und Misanthropen. Aber nein, das Gegenteil ist der Fall! Im Rahmen meiner ausgiebigen vorbereitenden Recherche stellte ich fest, dass ganz exquisite Menschen zu den Katzenliebhabern gehören: Winston Churchill teilte mit seiner Katze Jock Tisch und Bett, Raymond Chandler unterhielt sich mit seiner schwarzen Perserkatze Taki über seine Manuskripte, Ernest Hemingway hielt dreißig Katzen. Jeremy Bentham, Colette, Victor Hugo, Jean Paul Sartre, Montaigne, Edgar Allen Poe, Theodore Roosevelt, John Lennon, Claude Monet, Pierre August Renoir, die Liste ist lang. Charles Dickens soll gar gesagt haben: „Welch größeres Geschenk kann es geben, als die Liebe einer Katze“. Also eine vornehme und intellektuelle Gesellschaft in die ich mich da begeben würde. Ich rüstete mich mit Fachbüchern über Katzenkrankheiten, -erziehung, -sprache, -angewohnheiten und –vorlieben aus. Besorgte Katzenklo, Streu, Bürste, ein stylisches Kratzmöbel aus Berlin, Nassfutter, Trockenfutter, Futterschälchen usw. So zog also das kleine Kätzchen bei mir ein und wurde zu einer der großen Lieben meines Lebens. Es brauchte lange, bis wir uns aneinander gewöhnten. Ich hatte ständig Angst um sie. Trotz allem sollte eine Katzentreppe in den Garten ihr den Weg in die Freiheit ermöglichen. Wenn ich an meinem Schreibtisch sitze, setzt sie sich mit Genuss auf meine Unterlagen, sie beißt herzhaft in meine Zehen, wenn ich um drei Uhr morgens nicht aufstehen will, um ihr einen kleinen Imbiss zuzubereiten. Sie klopft hartnäckig an meine Tür um nach zwei Minuten schon wieder hinaus zu wollen. Sie liebt Jazz, vor allem John Coltrane und Parmesan. Sie ist beleidigt, wenn ich zu lange weg bin und lässt sich dann selbst stunden-, ja tagelang nicht blicken. Sie ist treu und anschmiegsam, aber nicht zu. Sie schmeichelt und streichelt und will dann gekrault werden, wenn ich keine Zeit habe. Bevor ich verreise setzt sie sich in meinen Koffer. Sie spielt stundenlang draußen, fängt Mäuse und bringt mir tote Vögel als Zeichen der Liebe. Sie bevorzugt frisch gewaschene Bettwäsche als Schlafplatz und kratzt an der Couch um mich zu ärgern. Sie wartet sehnsüchtig auf meine Heimkehr, wirft sich auf den Boden vor mir und jauchzt. Dies sind die Momente, in denen sie ihre Selbstachtung verliert, wie ich meine, wenn ich in allzu kindischer Babyssprache mit ihr rede. Sie ist eine Haargummifetischistin. Wenn ich traurig bin, legt sie sich auf meinen Bauch. Sie ist eine Schwester und Freundin. Sie ist ein Mysterium und besser als Fernsehen. Sie ist anmutig und wild. Faul und übermütig. Sie macht, was wir Menschen viel zu selten machen. Schlafen und Spielen. Ich bin kein Katzenmensch. Ich bin ein Meinekatzemensch. Sie ist Teil meines Guten Lebens.

 

Die Glücksmaschine

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Du streunst umher. Gehst über Wiesen an Bächen entlang, kommst zu einem kleinen Teich mit Seerosen. Die Sonne plagt deinen geschundenen Körper. Du hast Durst. Die Grillen zirpen. Die Mücken kreisen gierig um deinen Kopf. Du denkst daran, was du noch alles zu erledigen hast und an deinen letzten Streit. Die Natur tut dir gut, sie befreit deinen Geist. Du fühlst Dich unbefangener. Du holst tief Luft. Du bist jemand, der Blumen sieht, wenn er sie anschaut und Düfte riecht, wenn er einatmet. Dich trifft aber die Unbill des Lebens gleichermaßen, wie die Freude. Du tauchst tief in jede Emotion und manchmal wärst du gerne frei. Während du so herumwanderst, ohne Ziel, hörst du eine Stimme aus dem Wald. Die Glücksmaschine, ruft es. Kommen Sie meine Damen, meine Herren, treten Sie ein. Nehmen Sie Platz, wir bieten das ewige Glück. Du folgst der Stimme und stehst vor einem Zirkuszelt. Der Direktor lächelt geschäftstüchtig und bittet dich zur Tür hinein. Die Glücksmaschine, meine Dame. Nehmen Sie Platz. Nie wieder Trauer, nie wieder Schmerz, nur Lust, Euphorie und Freude verheißt sie dir. Wie? Nur Lust, kein Schmerz? Was muss ich dafür geben? Und was ist das für eine Lust, wenn sie von einer Maschine stammt? Nun, einmal an sie angeschlossen, wissen Sie nichts mehr von der Maschine. Alles wirkt echt, keine Glücksmaschine, kein virtuelles Geschehen, keine Kabel, alles erleben Sie gerade so, als wäre es ihr richtiges Leben. Der strahlende, attraktive Assistent des Direktors bittet dich mit ausholender Geste auf einen Ohrensessel mit Ottomane. Du setzt dich, legst deine Beine hoch und lauschst gespannt den Worten des Glücksmaschinenexperten. Das Beste ist, die Maschine kennt Ihre Wünsche schon. Sie lässt Sie leben, wie Sie es wollen, wie Sie es verdienen. Kein Verzweifeln, kein Verzagen, keine Erschöpfung, keine Scham. Keine Angst vor Zurückweisung, keine Niederlagen, kein Schnupfen oder Krebs. Der Partner Ihrer Träume, der sie hingebungsvoll liebt und Sie in jeder Lage versteht, dabei das Leben noch aufregender gestaltet. Erfolgreich und glücklich im Beruf, gefragt, gebraucht, geschätzt. Ihre Kinder ein Segen, die Freunde voller Bewunderung für Sie. Kinderlosigkeit wird nicht kritisiert. Sie beherrschen die Sportart, das Instrument, die Sprachen, die sie lieben. Ihre körperliche Verfassung ist blendend, ihre Muskeln gestählt. Ihr Geschmack erlesen, selbstbewusst, stilsicher und individuell. Sie reisen gerne und oft, kein Jetlag, keine miesen Hotels, keine Taschendiebe. Das Zimmer immer mit Meerblick, auf der Schitour Pulverschnee. Ein Auto, ein Zweitauto, aber sie fahren mit dem Rad. Keine Strafzettel, kein Wasserschaden, keine peinliche Situation. Nach dem Ausgehen kein Kater, die Musik immer die, die ihnen gefällt. Fürs Konzert sind die Karten nie ausverkauft. Ihre Schuhgröße ist immer zu haben. Sie lehnen sich zurück, werden angeschlossen und das Leben läuft, wie geschmiert. Du zögerst. Überlegst. Eine Glücksmaschine. Kann ich das wollen? Macht nur das Glück und die Lust das Leben gut? Du willst, willst nicht. Denkst nach. Müssen wir nicht Hoffen, Sehnen, Warten, Verzweifeln und Schmerzen in Kauf nehmen, um das Schöne, das Gute, die Freude, die Höhen und die Euphorie erst abgrenzen zu können? Sind wir nicht auf Gegensätze angewiesen? Wollen wir tatsächlich, dass das Glück uns nur zufliegt oder wollen wir etwas leisten, erreichen, etwas beherrschen, erarbeiten. Brauchen wir nicht auch den Schweiß auf der Stirn, den Muskelkater, das überzogene Konto, die Angst, das Bauchweh, die Blamage, den Liebeskummer, das Scheitern, die Einsamkeit, den Lärm? Ist das Gute das Billige? Das, was wir umsonst bekommen, das keinen Einsatz erfordert und keinen Verzicht? Ja, es ist ein berauschendes Gefühl, einfach nur Glück zu haben, aber wie schön ist es, wie erhebend, wie würdevoll, wenn wir etwas aus eigener Kraft erreichen, aus Überzeugung, entgegen größten Widerstand, wenn keiner an uns glaubt, man uns gar für verrückt hält oder durchgeknallt. Wenn wir glauben, wir schaffen das nicht mehr. Wir aber weiter machen. Nicht aufgeben. Warten. Uns gedulden. Jeder neue Tag eine neue Möglichkeit. Wie schön, wie gut, wie großartig, wenn wir uns selbst besiegen. Verzichten wir auf Geschenke, außer es handelt sich um Blumen oder Bücher. Seien wir uns selbst Geschenk, seien wir selbst Glückmaschinen für uns!

 

In Anlehnung an Robert Nozick´s  „The Experience Machine“ aus Anarchy, State & Utopia.

Bild: Marc Chagall „La Rêve“.