WeltSchmerz

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Am Jahresende haben wir die Angewohnheit Bilanz zu ziehen und spüren den Drang nach einem zumindest kleinen Neuanfang. Alten Ballast zurücklassen im alten Jahr. Nach vorne blicken, Fehler nicht mehr machen wollen. Vorsätze. Optimismus. Vielleicht. Was, wenn der Pessimismus überwiegt? In uns nagt. Was, wenn in uns etwas laut wird, das wir nicht recht einordnen können. Es geht uns gut. Uns. In unserer Welt. Wenn wir von oben herab auf unser Leben blicken. Aus der Ferne. Distanziert. So, als ob wir unbeteiligte Beobachter wären. Wir führen ein gutes Leben. Mehr oder weniger. Wir haben uns so viele unerfüllte Wünsche und Träume bewahrt, dass wir die Kraft haben weiter zu wurschteln (Anm.: österreichisch für „in einem gewissen Trott und ohne rechten Plan vor sich hin arbeiten“). Wie Sisyphus. Wir lesen gute Bücher. Wir kochen und genießen das Essen danach. Wir trinken Wein oder Gin. Oder Tee. Wir haben treue Freunde, eine Handvoll zumindest. Wir pflegen diese Freundschaften. Wir haben tiefgründige Gespräche, freuen uns aneinander, an unseren Partnern, unseren Kindern, an unseren Eltern und unseren Tieren. Wir gehen in unserem Beruf auf. Einiges ist uns schon gelungen. Wir haben Leben gerettet und Häuser gebaut. Wir sind weiterhin neugierig, wir haben das Staunen nicht verlernt. Wir hören nicht auf zu lernen. Wir wagen immer wieder Neues. Wir verreisen, sehen uns neue Länder an. Neue Menschen. Wir besuchen die Städte, die wir immer schon geliebt haben. Wir treiben Sport, spüren uns und unsere Körper. Wir sind gesund oder gerade genesen. Wir wissen gut, welch Geschenk  die Gesundheit ist. Wir wissen, wie kostbar das Leben ist. Wir erfahren Tage mit Sonne und Freude und Heiterkeit, wir überwinden Liebeskummer und Niederlagen. Und dies alles, diese Art von Sein, diese Präsenz in der Welt, dieses Da-Sein macht uns anfällig. Verletzlich. Wir haben eine Prädisposition zum Weltschmerz. Wir haben keinen offensichtlichen Grund traurig zu sein. Sicher, wir balancieren, taumeln auf einem Drahtseil zwischen Optimismus und Pessimismus. Meist aber sind wir Melancholiker. Da ist etwas in uns. Etwas Dumpfes. Wir spüren es, weil wir Spürende sind. Spürer. Wir spüren es, können es aber nicht fassen. Wir sind informiert. Wir scrollen durch Facebook, Twitter oder what ever. Wtf. Wir lesen die Zeitung. Zeitungen. Wir hören Radio. Sehen fern. Reden mit den Menschen über das, was passiert in der Welt. Unserer Welt. Es ist da in uns. Atmet. Es stinkt. Es schmerzt. Es sticht nicht, brennt nicht. Es dümpelt so dahin. Wir sind unruhig. Der Schmerz verlässt und nicht. Selbst in ausgelassener Runde befällt er uns dieser Tage. Auch wenn wir uns schlafen legen. Er ist der erste, der uns begrüßt, wenn wir morgens erwachen oder mitten in der Nacht. Er bearbeitet uns und wirkt. Was ist das, was wir da wahrnehmen mit unseren feinsten Antennen, unseren Mikrosensoren, der hochkomplexen Maschinerie des sensiblen Menschen? Es ist das Leid der Welt, sage ich Euch. Die Schmerzen der Erde und all ihrer Lebewesen. Es ist aber auch der Schmerz der Überforderung mit der Welt, mit dem Unklaren, mit dem Nichtwissen darüber, wer das Netz wohl spinnt. Und ob wir bald in die Falle gehen. Ins Netz. Wir verstehen die Zusammenhänge nicht. Wir sind verunsichert. So viel Krieg, so viel Leid, soviel Elend. Was passiert mit unserer Welt? Wir gehen nicht gerade sanft mit ihr um. Wir schüren und zündeln. Es brodelt. Der Krieg rückt näher, weil wir im täglich in die Augen schauen. Wir leiden und verursachen Leid. Ganz nah schien uns der Kummer besonders dieses Jahr gekommen zu sein. 2016. Soviel ist passiert, was wir nicht verstehen. Können. Die Welt ist unüberblickbar geworden. Wir haben die Übersicht verloren. Die kranke Welt ist zu uns gekommen in Form eines Flüchtlings, in Form der Auflösung eines Friedensbundes, in Form machtgieriger Despoten, in Form von Terror, in Form von Steueroasen und Waisenkindern. Nachrichten aus aller Welt brechen unreflektiert, ungeschönt, verzerrt, ungefiltert und unbedacht über uns herein. Fast täglich. Kaum eine Pause gönnen uns die „Breaking News“. Wir sind gezwungen zu wählen. Was wir glauben, was wir glauben müssen, was wir glauben wollen. Unbehagen, Verstörung, Verunsicherung, Beunruhigung. Schmerz ist nicht das, was wir uns wünschen, schon gar nicht den Schmerz der ganzen Welt wollen wir schultern. Aber Schmerz ist auch ein Signal. Lebenswichtig. Er warnt, er macht uns aufmerksam. Er ruft uns auf, hinzuschauen. Ist alles wirklich so schwarz, so dunkel, so hoffnungslos? Können wir relativieren, abschwächen, abkühlen, klar sehen? Wie können wir in unserer kleinen Mikrowelt den Schmerz lindern. Können wir das überhaupt? Wir, die Spürer, die Melancholiker, die Sensiblen sind die, die am Leben hängen, an den Menschen, an der Sonne, an den Blumen, an den Bienen, an Gedichten und schöner Musik. Das ist der Preis. Kein gutes Leben ohne, hin und wieder , Weltschmerz.

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Der Tod ist kein Ereignis des Lebens. Den Tod erlebt man nicht. Wenn man unter Ewigkeit nicht unendliche Zeitdauer, sondern Unzeitlichkeit versteht, dann lebt der ewig, der in der Gegenwart lebt. Unser Leben ist ebenso endlos, wie unser Gesichtsfeld grenzenlos ist.

Ludwig Wittgenstein

 

 

Atemkunst * Künstliche Beatmung

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Eine Anästhesistin denkt über Yoga nach

Mein Beruf ist es, auf Menschen aufzupassen. Ich bin eine Bewacherin. Eine Behüterin. Ich kümmere und sorge mich, dass Menschen genug Luft bekommen, ihre Atemwege frei sind und frei bleiben. Ich bewache ihren Schlaf. Bewahre sie vor Schmerzen. Ich sorge für ein kräftig rhythmisch schlagendes Herz, sodass die Lebensenergie, der Sauerstoff bis in die kleinsten Winkel des Körpers verteilt und dass jede einzelne Zelle großzügig mit diesem Elixier versorgt werde. Ich steuere das Einschlafen und das Erwachen. Ich verwende dazu meine bloßen Hände, mein Gefühl, mein Wissen und ich verwende dazu Maschinen. Mehrmals täglich ermahne ich die Menschen tief und kräftig zu atmen. Ich überwache sie, bis sie selbst wieder den Taktstock des Ein-und-aus-und-ein-und-aus in Händen halten. Meinen eigenen Atem, meinen Herzschlag beachte ich zu wenig. Ich schenke ihm zu wenig Aufmerksamkeit. Schenken. Eine Geste der Zuneigung. Aufmerksam auf meinen Atem werde ich nur, wenn er knapp ist oder er mir geraubt wird. Warum? Zu selten ist mir klar, dass ich auch die Behüterin und Lenkerin meines eigenen Atems sein kann. Dass ich ihn mir zu Nutzen machen und Kraft und Klarheit oder Ruhe und Trost aus ihm schöpfen kann. Und so verwundert es mich ganz ungemein, warum ich nicht früher zum Yoga fand. Was mich vom Yoga abhielt waren Vorurteile. Soweit so gut. Trotz aller Ressentiments hab ich es doch ausprobiert, weil das Studio so nah ist. Bin ich halt hin. In einer luftundurchlässigen aber durchaus bequemen Wollhose. Weil für das Rumsitzen sollte sie schon bequem sein, die Kleidung. Wie hab ich das bereut. Ich habe geschwitzt. Und wie. Aber das Schwitzen ist zweitrangig, viel wichtiger ist: ich habe geatmet. Ich habe meinen Atem wahrgenommen und ihm Beachtung geschenkt. Ich habe ihm gehuldigt. Ihn betrachtet. Und: ich habe erfahren, was der Atem mit mir tut, meinem Körper, meinem Befinden, meinem Geist. Bei meinen Patienten kann ich das Atemvolumen erhöhen, die Häufigkeit des Ein-, und Ausatmens, ich kann die Druckverhältnisse in der Lunge verändern, ich kann das Verhältnis zwischen Ein-, und Ausatemzeit variieren, ich kann die Sauerstoffzufuhr erhöhen. Ich beobachte, was dies mit den Vitalwerten macht, der Sauerstoffsättigung und dem Blutdruck, wie die Hautfarbe, die Lippenfarbe der Menschen blitzschnell eine Nuance rosiger wird und wie schnell sich die Kapillaren nach sanftem Pressen wieder füllen. Ich messe, wie der Druck in den Lungen den Blutdruck beeinflusst und ob das Herz mehr Arbeit leisten muss. Ich selbst brauche keine Maschinen oder Apparate um Dinge mit meiner Atmung zu tun. Ich kann sie vertiefen, ich kann sie flacher fließen lassen, ich kann meine Lungen vollständig füllen und die Räume, in die der Atem fließt vergrößern, ich kann meine Lungen vollständig leeren, ich kann meine Atmung dahingleiten lassen, ich kann mich von Gedanken befreien, indem ich meine Achtsamkeit nur auf das immer wiederkehrende ein-und-aus-und-ein-und-aus richte. Ich kann mich ausbreiten. Weite. Leere. Stille. Fülle. Am liebsten verharre ich im scheinbar unendlichen Raum, dem Stillhalten zwischen zwei Atemzügen. Bin hier geborgen. Pranayamas. Atemübungen. Atemkunst. Was ich hier mache, beim Yoga ist so einleuchtend. Einleuchten. Licht strömt ein. Ich lenke meine Atmung, ich lenke meine Gedanken. Ich lenke mich dorthin, wohin ich will. Ich stärke mich und mache mich widerstandsfähig. Ich mache mich offen. Ich kläre mich. Ich schöpfe Energie. Der Atem, das ist das Beste, ist immer da. Verlässlich. Ob ich ihn wahrnehme oder nicht, ob ich ihm Beachtung schenke oder nicht. Aber warum ihn nicht beachten? Warum das Atmen nicht zur Kunst verfeinern? Zum Werkzeug eines guten Moments. Zum Werkzeug eines guten Lebens?

 

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Der Gin des Lebens I

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Sinn im Leben

Was gibt Deinem Leben Sinn? Gibt irgendetwas Deinem Leben Sinn? Menschen stellen sich mitunter Fragen, selten bekommen sie antworten. Sehr selten die Antworten, die sie gerne hören würden, darum hören sie am besten weg oder gar nicht erst hin. Übrig bleibt dann eine sehr kleine Anzahl von Leuten, die sich mit den großen Fragen des Lebens beschäftigt. Wozu Existenz? Wozu dieses beschwerliche Ein-, und Ausatmen, dieses wiederholte Bergaufgehen und die damit verbundene Atemlosigkeit, die der Alltag einem abverlangen kann. Wozu arbeiten? Wozu lieben? Wozu sich sehnen? Wozu hoffen? Wo wir doch just von dem Moment an, in dem wir das Licht der Welt erblicken unumkehrbar auf unser Ende zusteuern. Zwischen Geburt und Tod herrscht Mühsal und, wenn wir Glück haben, blicken wir auf einige berauschende, erhebende, lustvolle und leichtfüßige Momente. Sinn ist aber nicht gleich Glück. So kann jemand durchaus Sinn im Leben finden, ohne dabei glücklich zu sein. Und umgekehrt. Angenommen, allein sich die Frage zu stellen, stiftete schon Sinn. Bingo, dann sind wir dabei, du und ich. Weil ich die Schnapsidee hatte, und da kommt die Sprache schon auf den Gin, diesen Text zu schreiben und du, weil du dich bis hierher durch denselben gequält hast. Blicken wir doch einmal auf das, was Sinnforscher als sinngebende Kategorien klassifizieren. Stopp. Vorher. Schließ doch einmal die Augen. Frage dich: empfinde ich mein Sein als sinnvoll? Was ist es, was den Sinn beschert? Dir fällt etwas ein? Deine Kinder? Dein Partner? Deine aufopferungsvolle ehrenamtliche Tätigkeit? Dein Hund? Dein Kontostand? Gratuliere. Du könntest dir jetzt schon einen Gin Tonic mixen und dich zufrieden und selbstgerecht zurücklehnen. Gehörst Du aber zu jenen, bei denen das nicht so klar ist, weil du über keine Kinder, keinen Partner, keine Haustiere oder kein entsprechendes Bankkonto verfügst? Ha! Falle. Fällt Dir etwas auf? Hier dreht sich ganz viel um Haben und nur sehr wenig um Sein. Trotzdem. Ich will mir nicht anmaßen, an dieser Stelle  gute oder schlechte Motive eines erfüllten Lebens zu werten. Denn, ehrlich gesagt, es geht uns doch wirklich nichts an, wie unsere Mitmenschen zu ihrem Sinn kommen. Sollte dir jetzt gar nichts einfallen, findest du hier vielleicht die Inspiration: was vor allem anderen ein sinnvolles Leben garantiert, so die Wissenschaftler, ist die sogenannte Generativität. Das bedeutet, etwas zu schaffen, das man von sich an die nächste Generation weitergibt. Etwas das bleibt. Von Dir. Von uns. Kinder, Kunst, sportliche Leistungen. Ein Oscar. Ein Nobelpreis. Etwas, wovon man noch lange reden wird. Etwas. Ein „Sich-unsterblich-machen“. Ein „In-die- Geschichte-eingehen“. Am zweithäufigsten nennen Menschen Religiosität bzw. Spiritualität als fundamental in ihrem Leben. Religion als Halt, als Kraftplatz, als Fallnetz. Für einige von uns absurd. Oder egal. Oder nicht mehr en vogue. Und andersherum können tief religiöse Menschen es sich nicht vorstellen, wozu man denn lebte, wenn nicht, weil es etwas Größeres, Besseres, Gütigeres gäbe, das uns, die Welt, die Gestirne und die Aktien leitet. Religion ist ungesund. Atheisten, Agnostiker oder religiös Desinteressierte beschäftigen sich vielleicht lieber mit ihrem Ego (oder wertfreier ausgedrückt mit der Selbsterkenntnis), ihrer Gesundheit oder suchen Ruhe und Sinn in der Natur. Der Mensch stellt sich Herausforderungen, forscht, ist neugierig, trägt zum Fortschritt und  Entwicklung bei oder ist freiheitsliebender Idealist oder Individualist. Er kann kreativ sein, ein Schöpfer oder Schaffender. Von Natur aus strebe der Mensch, sagt unser Freund Aristoteles, nach Wissen. Das Leben bietet einiges, die Welt, wenn wir uns furchtlos hinaus wagen, erzählt uns jeden Tag Geschichten und Mythen, deren Teil wir wagemutig selbst sein könnten. So Sinn, so gut. Doch was ist mit denen, die keinen Sinn im Leben finden? Hier muss unterschieden werden zwischen solchen, die zwar auf der Suche sind und sich auf den Weg machen, die aber leer und stumpf und auf Grund des Vakuums, das sie vorfinden, todunglücklich sind und jenen, die das nicht weiter kümmert. Die erstere Haltung, dieser Zustand hat etwas zutiefst Romantisches und Melancholisches. Wir erinnern uns an Romanhelden, Nihilisten oder an Sisyphos. Auch wenn die Hoffnungslosen sich selbst in einer permanenten Sinnkrise wahrnehmen, so schreiben wir ihrem Leben doch den Sinn der mühseligen Sinnsuche zu. Die Zweiteren aber, sind das nicht die eigentlich Bemitleidenswerten (oder die wahrhaft Glücklichen, ja die Seligen, wie man will), denen der Lebenssinn verborgen bleibt, denen diese Tatsache aber keine schlaflosen Nächte bereitet? Es ist ihnen schlicht egal. Man nennt diese Menschen existentiell indifferent. Wie furchtbar, sage ich. Welches Elend für diese und welche Not für unsere Gesellschaft. Ich sage, nein zur Sinnlosigkeit, ja zur Sinnkrise, die sich außer mit guten Gesprächen, hervorragender Literatur, Streunen in der Natur, Beten, Herumtreiben in schäbigen Nachtlokalen oder dem Schreiben von Gedichten auch noch mit einem kühlen und liebevoll zubereiteten Gin Tonic gut durchstehen lässt. Ein gutes Leben macht Sinn. Manchmal macht der Gin diesen Sinn. Doch dazu das nächste Mal mehr.

 

Zur Vertiefung sei empfohlen: http://www.sinnforschung.org

Eine Liebesgeschichte

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Es gibt in deinem Leben eine notwendige Bedingung. Dein Untergrund und Überbau. Dein Fels in der Brandung. Geerdet, doch den Kopf in den Wolken. Deine Höhle, dein Rückzugsort, dein Hafen. Seit du denken kannst. Denken. Kein Denken ohne Sprache. Keine Sprache ohne Worte. Kein Leben ohne Denken. Kein Leben ohne Worte. Doch sag  mir, warum ist das so? Erkläre es mir. Bitte. Ich höre zu.

Na gut, dann versuch ich es. Ich liebe Bücher seit ich denken kann. Seelennahrung. Warum ist das so? Leute fragen mich, was wünschst Du Dir? Ein Buch, dieses Buch, diese Bücher. Den ersten Teil, den nächsten und den letzten. Am liebsten in Leder gebunden und mit Bändchen. Meine Schätze. Ein Platz für die Heiligtümer, ein Schrein. Ein Platz für jedes Buch. Bei mir. In meiner Nähe. Doch warum? Warum ist das so? Es gibt so viele Gründe, Bücher zu lieben. Für ihre Schönheit, ihren Duft, den Glanz, den sie abstrahlen. Beständigkeit. Unerschöpfliches Lieblingsthema. Welche Bücher würdest Du auf eine einsame Insel mitnehmen? Was liest Du gerade? Kennst Du dieses Buch? Eine Obsession. Warum und wofür? Die Ehrfurcht vor der Gabe, Geschichten zu erfinden? Geschichten in wundervolle Sätze zu kleiden, in das Gewand der Poesie zu hüllen? Es ist Liebe und Leidenschaft zu dieser Gabe und deren Produkt. Hingabe. Sich verlieren. Nach einem Satz innehalten und tief Luft holen, ihn dann wiederholen, ihn flüstern, ehrfürchtig, weil er so schön ist. So ein schöner Satz. Sprache, die sprachlos macht. Man ist dankbar, für diesen einen Satz. Ein Geschenk. Ein Satz, der alles, was man spüren, hoffen, wünschen, verfluchen oder beweinen kann, wofür uns die Worte fehlen, so einfach ausdrückt. Ein Satz, der fliegt, schwerelos, der uns mitten hinein wirft in eine andere Welt, eine andere Zeit, einen anderen Weg. Der eine Tür öffnet in ein Abenteuer. Der uns eintauchen lässt in ein Leben und ein Schicksal. Ein Satz, der uns mit Menschen verbindet, deren Geschichte wir miterleben, begleiten oder beobachten, ohne einzuschreiten. Die wir nicht ändern können, auf die wir keinen Einfluss haben, aber mitleiden, mitfühlen, mitweinen und uns mit ihnen freuen, das tun wir. Wir sind nur Zuschauer. Voyeure. Dennoch unverzichtbar. Ohne uns werden die Gestalten nicht lebendig. Wir hauchen ihnen Leben ein. Es gibt Figuren, die ich gerne mag, und welche, die ich verabscheue. Manche erlebe ich als gute Freunde. Ich kenne sie. Ihre Gedanken. Ihre Abgründe. Ihre besten Seiten und ihre größten Schwächen. Und plötzlich sind dann ihre Hoffnungen, ihre Auswege, ihre Rettungen die meinen. Ich tauche ein in eine fremde und finde mich unvermittelt in meiner eigenen Geschichte wieder. Ich erinnere mich an dieses Gefühl, diese Freude, diese Angst, diese Verzweiflung, diese Sehnsucht. Ich erlebe mich in dieser fremden Geschichte und bin mir plötzlich ganz nah. Ich freue mich, ich weine, ich seufze, ich fröstle, ich lache laut auf, ich lächle. Dieser Satz, diese grandiose Anordnung von Sätzen zu einer Person, einem Ort, einer Biographie, einer Landschaft oder einem Traum bringt mich zum Träumen, zum Hoffen und Pläne schmieden. Diese Geschichte ermutigt und entmutigt mich, lässt mich verzweifeln und mich zusammenreißen. Dieses Buch ermöglicht mir die Flucht und das Heimkehren. Ich wandle zwischen Traum und Wahrheit, es vermischen sich die Welten. Außen. Innen. Außen. Weißt Du, es gibt Bücher, die dich retten können. Retten vor der Welt und retten vor dir selbst. Eintauchen. Verschwinden. Rasten. Kraft schöpfen. Auftauchen und Luft holen. Teure Freunde. Treue Freunde. Es gibt Sätze, die immer in mir nachhallen werden. Die in mir schwingen und mich zum Schwingen bringen, die eine Melodie in mir erklingen lassen. Literatur ist meine Musik. Ein Roman meine Symphonie. Ein Gedicht mein Lied. Ich kann schöne Worte schmecken und riechen. Bücher machen und halten mich lebendig. Ich lerne mit, wachse und scheitere an ihnen. Verstehst Du das? Komm, ich lese Dir vor. Setz Dich neben mich. Das wäre schön.

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Bücher, die wir mögen:

Erfüllung:  ALEX CAPUS  „Léon und Louise“ , Hanser Verlag . Eine Liebe in einem Jahrhundert der Kriege. Ein Paar, das an der Liebe festhält und sich der Zeit widersetzt. Verzweiflung: ALBERT COHEN  „Die Schöne des Herren“, Klett-Cotta. Anfängliche Lust wird zur Qual. Geheimtipp!

Für Kinder :  MICHAEL ESCOFFIER  (Autor) und MATTHIEU MAUDET (Illustrator) „Bitte aufmachen“ ab 2 bis 4 Jahren, wobei: das Vergnügen dieses Buch zu lesen kennt keine Altersgrenze.

Kunst/Fotografie: AUGUST SANDER „Menschen des 20. Jahrhunderts“, Schirmer/Mosel-Verlag. Eine fotografische Kulturgeschichte in 600 Portraits.

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Wir halten uns sehr gerne in diesen Buchhandlungen auf:

Buchhandlung HAYMON in Innsbruck: der Garten Eden der Buchläden. Exotisch, elegant, bunt, vielfältig. Klassiker neben Neuerscheinungen. Dezent und pompös. Alle Bücher können auch auf der zugehörigen Webseite online bestellt und erworben werden. Sparkassenplatz 4, 6020 Innsbruck http://www.haymonbuchhandlung.at

SAUTTER UND LACKMANN im Herzen Hamburgs. Kunst, Architektur, Film, Fotografie, Design, Mode, darstellende Künste. Admiralitätstraße 71/72
20459 Hamburg

Das PHIL in Wien. Bücher, DVDs, Platten, Getränke, Essbares. Das Phil ist kein Buchladen, sondern ein Ort. Ein Ort zum Sein. Und die Bücher, die man dort erwerben kann, wollen unbedingt gelesen werden, so die Betreiber. Gumpendorfer Straße 10 – 12  1060 Wien

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Phänomenologie des Laufens

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wie sich laufend beim laufen mein blick

nach innen dann nach außen

dann nach innen dann nach außen. richtet.

mein atem. getragen. meine füße. tragen. gedankenflut.

unter meinen füßen. der asphalt. mein keuchen. ein brennen. mein brennen. innen.

ein baum. ein kirchturm. außen. ich atme. in der kehle. innen.

vögel ziehen über mich hinweg. außen. klänge aus meinen kopfhörern dringen ein.

von außen nach innen. mein blick nach innen. ein gedanke. lauschen.

ich schmecke. das salz. mein schweiß. außen. auf meiner haut. die wahrnehmung. innen.

laufen. atmen. freude. atmen. laufen.

laufend beim laufen den blick

nach innen dann nach außen

dann nach innen dann nach außen. richten.

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Für die einen ist es eine Droge, für die anderen die reinste Qual. Wir denken, dass Laufen ganz schön sein kann. Im Hinterkopf hallen die gut gemeinten, aber demotivierenden Hinweise der Fitnessgurus: mindestens eine Stunde, mindestens drei mal pro Woche, mit genau dieser Pulsfrequenz, sonst bringt das überhaupt nichts. Weil wir aber gar nichts anderes anstreben, als uns wohl zu fühlen und Freude zu haben, halten wir uns nicht an diese Ratschläge. Wir ziehen uns die Laufschuhe an und gehen raus. Unser Ziel ist nicht Leistung, Kalorienverbrauch, Gewichtsreduktion, ein Marathon, ein gestählter Körper, Attraktivität oder gar Konkurrenzfähigkeit. Wir laufen los und beobachten einmal, was uns so begegnet. Innen und außen. Wie spannend das sein kann! Wir tun unserem Körper und unserem Geist, dieser obskuren, geheimnisvollen Einheit etwas Gutes, indem wir ihm einfach einmal Beachtung schenken. Ihn gebrauchen. Wir spüren uns, unsere Muskulatur, die Füße, die uns tragen, unseren Atem, unseren Herzschlag. Wir spüren den Luftzug, der an uns vorüberzieht. Den Wind oder den Sturm. Wir können unseren Geist befreien, von lästigen Gedanken oder uns den Gedanken laufend hingeben. Einmal zuschauen, wohin sie uns so treiben und uns dann von ihnen treiben lassen. Wir können unsere Nachbarschaft erkunden, laufend, die Häuser, die Menschen, die Tiere, die Pflanzen, das Licht, das Schattenspiel, den Wechsel der Jahreszeiten, die Wetterlagen, die Tageszeiten. Wir können dabei laut Musik  oder in uns hinein hören. Oder nicht. Jeder Lauf ist einzigartig. Wir können unseren Seelenzustand erkunden, das Helle, das Dunkle, den Zorn und die Wut weglaufen. Uns von Freude und Glückseligkeit antreiben lassen, von einem Rhythmus, einem Beat.Laufend tanzen. Das Laufen als Tanz. Oder? Die Leere in unserem Kopf genießen. Die gute Nachricht: wir müssen gar nicht oft und viel und lange laufen, um gesünder zu werden, gesund zu bleiben und um unser Gutes Leben zu verlängern.  Wir können also ganz entspannt sein. Laufen, wie oft oder wie wenig wir wollen. Langsam, schnell, nur nicht zu viel. Lauft ohne Zweck, lauft um des Laufens Willen. Sonne im Gesicht und Rückenwind.

 

Optimal Dose of Running for Longevity: Is More Better or Worse? http://bit.ly/2bSnQHT via @jaccjournals

WELTverBESSERUNG

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Welt verbessern. Große Worte. Weltverbesserer sieht man gerne schief an, von der Seite. Sie sind unbequem. Man findet sie durchgeknallt und naiv, zugleich wäre man aber doch auch gern ein bisschen so. Die Welt ist im Wandel. Nicht zum Besseren. Man sollte sie verbessern. Nicht? Wir erleben, dass es irgendwie nicht mehr so entspannt ist, dass es knistert in der Luft. Die Atemluft wird schärfer. Terror und Gewalt. Das alles ist dennoch nicht neu, denn all das hat es immer schon gegeben. Nur nicht in meiner oder deiner Welt. Die Welten sind im Wandel. Viele fürchten Bedrohungen von außen: Flüchtlinge, Kapitalismus, Klimawandel, Verarmung. Dinge, denen wir machtlos ausgeliefert sind. Scheinbar. Wir fühlen uns hilflos. Uninformiert. Überrollt. Aber diese Bedrohungen meine ich nicht. Nur. Was ich meine, ist auch die zunehmende Verrohung unserer Gesellschaft, von Menschen in meiner unmittelbaren Umgebung. Menschen, denen es an nichts fehlt werden kälter, abgestumpfter und zugänglicher für billigen Populismus und falsche Versprechungen. Ich fühle mich bedroht durch eine Zunahme an Kälte und Hetze und Abnahme von Mitgefühl und Solidarität. Was kann ich tun? Ich kann nachdenken über das, was ich höre, sehe, lese, spüre und wahrnehme. Ich muss kein übereiltes Urteil fällen. Ich kann mir im stillen Kämmerchen mit Bedacht und ohne Hast eine Meinung bilden. Ich kann mich informieren, dann diskutieren und streiten. Und zuhören. Ich kann fragen. Ich kann dich fragen. Ich kann mich fragen, was Gerechtigkeit ist und Menschenwürde. Ich kann mir Rat holen. Bei klugen Menschen. Ich kann mich fragen, ob ein Vertriebener, der alles verloren hat eine Gefahr für mich darstellt oder der Hetzer, der mich als Gutmensch diskreditiert, der spaltet und ausgrenzt oder der, der dem Hetzer folgt. Nur weil meine Lösungen nicht Hass, Abschottung, Ausschließen und Bewaffnung, sondern Verstehenwollen, Überlegen, Behüten und Versöhnen sind, heißt das nicht, dass ich mir der Probleme nicht bewusst bin. Verteidigung und Verurteilung nur dort, wo sie gerechtfertigt sind. Es heißt nicht, dass ich niemals Angst habe. Aber ich habe etwas zu verlieren. Meine Welt. Wir alle haben etwas zu verlieren. Viel. Den Frieden. Die Fratze des Krieges zeigt sich uns in den Gesichtern jedes geflüchteten Menschen, wir sehen in ihren Augen, wozu Menschen fähig sind. Wir möchten wegschauen. Ich sehe aber auch die entstellten Gesichter der hemmungslos geifernden Aufwiegler. Ich kann mich ihnen entgegenstellen. Mit einer Meinung. Einer anderen Meinung. Ich kann darauf bestehen, dass jeder Mensch Würde besitzt, dass jeder Mensch kostbar ist, dass jeder Mensch eine Lebensgeschichte und das Recht auf eine Zukunft hat. Das Recht auf Zukunft und das Recht auf ein gutes Leben. Jedes Menschen Würde, die ich verteidige ist meine eigene. Jeder Angriff gegen die Menschlichkeit ist ein Angriff gegen mich selbst. Ich kann mir klar werden, dass Hass, Krieg, Unterdrückung und ein sich über andere Menschen erheben noch nie, niemals  fruchtbar und dem Glück und dem guten Leben zuträglich waren. Ich kann wählen. Ich habe die Wahl, weise zu sein, besonnen, gerecht und stark. Mit Stärke und etwas Mut kann ich mich gegen die Kleingeistigkeit, den Hass und das Vorurteil stellen. Nicht nur gegen die Vorurteile der anderen, sondern auch gegen jene, die in mir nagen. Gegen die Kleingeistigkeit in mir selbst. Ich kann meine schärfsten Waffen einsetzen, mein Herz und meinen Verstand. Ich kann die Perspektive des Gestrandeten, des Außenseiters und des Verlierers einnehmen und ich werde einsehen, dass ich ganz schnell selbst zu diesem Verlierer werden kann. Denn auch er steckt in mir. Ich halte das gute Leben in Händen. Das gute und freie Leben. Es ist bedroht. Ich will für das gute Leben meine Stimme erheben. Ich will mittun und ich will dich begeistern und noch viele mehr. Menschen sind dazu gemacht, das Glück zu suchen. Wir sind selbst die Bewahrer der guten Welt. Du und ich. Wir können Weltverbesserer sein. Ein Wort, ein Blick, eine Geste. Ein Anfang. Klein und lächerlich, möglicherweise, aber ein Schritt. Aus der Geste wird vielleicht eine Handlung und aus der Handlung eine Haltung. Und die Haltung ist das, was ich bin.

Das Gute Leben

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Dem Guten Leben auf der Spur sein, ihm auf die Schliche kommen, das wollen wir hier. Ein Stück Leben haben wir schon hinter uns mit seiner ganzen Fülle an Erinnerungen, und Leben haben wir noch vor uns. Aber  der größte Teil unseres Lebens ist jetzt. Träume, Pläne und Verrücktheiten. Wir widmen diesen Blog dem Guten Leben, der Lebenskunst und was das für uns heißt. Der Geruch nach Sommer und die gedämpft wattige Stille eines verschneiten Wintertages. Salz auf der Haut, von der Sonne getrocknet, wenn der letzte Tropfen Meerwasser aus unserer Ohrmuschel läuft. Lachen und unbändige Freude. Tanzen und ganz laute Musik. Ausgelassenheit. Köstlichkeiten. Hingabe an Licht und Farben,  Versinken in Worten und Gedanken. Ihr werdet hier Beiträge finden, die sich dem puren Hedonismus verschreiben, aber das ist nicht alles, wofür wir brennen. Es ist letztlich die Liebe und die Freundschaft, Menschsein, ein guter Mensch sein. Kritische Gedanken, Reflexion, Erleben und Bewusstheit. Dankbarkeit und der Wunsch, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Sich im Gegenüber wieder zu erkennen und zu verlieren. Es geht uns dabei um Substanz, um das Wesentliche. Das können ganz kleine, zarte Dinge sein. Erdbeerkuchen, Spargel, ein Song, an dem wir uns nicht satt hören können, oder ein Satz so schön, dass er unser Herz zum Rasen bringt, ein Ort in der Welt, ein Ausblick, ein Anblick, ein Mensch, der uns atemlos  und stumm macht angesichts seiner göttlichen Schönheit. Kinderarme, die sich um uns schlingen, Kindermund der ruft „nochmal, nochmal!“ Und es kann heißen, sich zu äußern, eine Meinung zu haben und zu dieser Meinung zu stehen. Aufzustehen. Kleine Revolution. Große Revolution. Vanilleeis. Was ist es, das das Leben zu einem guten Leben macht. Spitzt die Ohren, seid gespannt, es wird lebendig!

imageDie wahre Lebenskunst besteht darin, im Alltäglichen das Wunderbare zu sehen.

Pearl S. Buck, amerikanische Literaturnobelpreisträgerin