In a world, where you can be anything, be kind!

IMG_4160Was wir von Aristoteles lernen können.

 Die englische Zuschreibung, die Eigenschaft, das Prädikat „kind“ ist für mich mit nur einem Wort nicht ins Deutsche übersetzbar, so viel drückt es aus, so viel an erstrebenswerter Tugend. Tugend, ein altes Wort, kaum noch gebraucht, dennoch brauchen wir es noch, dringender als je zuvor. Ich mache mir oft Gedanken darüber, was es heißt „kind“ zu sein. Ich möchte versuchen zu erklären, warum es für mich so unermesslich wichtig und gleichzeitig so schwierig ist, dem gerecht zu werden. Nun habe ich zunächst das Wörterbuch konsultiert und nachgelesen, welche Übersetzungen angeboten werden: nett, gütig, lieb, menschlich, liebenswürdig, freundlich, human, geneigt, wohlwollend, …Wir würden wohl am häufigsten von freundlich sprechen. Ein freundlicher Mensch, ein freundliches Gespräch, lächelnd, sonnig, süß. Freundlich ist zu wenig. Mich hat Barack Obamas Rede sehr bewegt, in der er sich bei seiner Familie bedankt und von seinen Töchtern folgendermaßen spricht: sie seien schön, sie seinen klug und gebildet, aber was ihn am meisten stolz auf sie machte sei, dass sie „kind persons“ seien. Das, was ich und vermutlich auch Obama meinte, wird wohl am ehesten mit gütig oder menschlich getroffen, mit geduldig, großzügig und nachsichtig. Da ich mich aus technischen Gründen nun mit einer Übersetzung zufriedengeben muss, wähle ich „gütig“ und bitte, alle anderen Attribute großzügig mitzudenken. Gütig kommt von gut. Wir können heute alles sein, alles erreichen. Wir können schön werden, uns bilden, Informationen fluten uns, wir können uns einen fitten Körper antrainieren und Sprachen erlernen, wir können uns stattliches Wissen über Musik, Kunst, Politik und zeitgenössische Architektur aneignen. Es bereitet uns keine Probleme, älteren Menschen einen Platz im Bus zu überlassen und Amnesty International mit kleinen oder größeren Spenden zu bedenken. Wir können uns mindestens einmal pro Woche bei unseren Eltern melden und keinen Geburtstag vergessen. Wir essen so wenig Fleisch, wie möglich und geben uns Mühe, nicht rassistisch, homophob oder in sonst irgendeiner Weise intolerant zu sein. Aristoteles nennt einige Tugenden: Tapferkeit, Gerechtigkeit, Klugheit, Maßhalten und ähnliches. Für mich ist die Königin unter den Tugenden heute, in unserer modernen Welt des Narzissmus, der Selbstdarstellung, des Zahn-um-Zahn, der Ellbogentechnik, des „Survival-of-the-fittest“, des überbordenden Individualismus die Güte oder die „Kindness“. Ich erinnere mich an eine Szene aus dem bewegenden Film „Moonlight“ in dem das Erwachsenwerden eines schwarzen Jungen in Miami geschildert wird. Der kleine Chiron fragt seine erwachsenen Freunde, was denn eine „Fag“, eine „Schwuchtel“ sei. „Eine Schwuchtel ist ein Homosexueller, ein Mann, der einen Mann liebt, und so weiter und so fort“ dachte es in mir. Ich wurde eines Besseren belehrt und schämte mich. Ich schämte mich, weil ich mich in jenem Moment ertappte, nicht gütig, nicht wohlwollend und behutsam gedacht zu haben. Güte beginnt damit, wie wir denken. „Eine Schwuchtel ist nicht gleich Homosexueller“ so erklärt Chirons Freund ihm vorsichtig, „es ist eine Beleidigung für schwule Menschen. Du kannst schwul sein, aber lass dich nie eine Schwuchtel nennen“. Das saß. Ich war in Gedanken, ohne Zeugen und ohne meine Worte laut auszusprechen überführt worden, nicht gütig gewesen zu sein, nicht großherzig, nicht unvoreingenommen, nicht „kind“. Der griechische Philosoph Aristoteles lehrt uns, dass man Tugenden erlernen kann, erlernen muss. Dass sie uns zu einer zweiten Haut werden können. Wir müssen allerdings üben. Beständig und mit Fleiß. Das ist schweißtreibend und anstrengend. Vor allem leidenschaftliche und impulsive, engagierte und interessierte Menschen werden oft von ihren Urteilen übermannt, von ihren vorschnellen Reaktionen, von Unbesonnenheit und Spontanität, dem oftmals besser einige Sekunden ruhigen Abwägens vorausgehen sollten. Ich kenne das. Aber wir alle können gütige Menschen werden. Und gütig, nachsichtig und großzügig zu sein, macht froh und glücklich. Tapfer wird man, so Aristoteles, indem man tapfer ist. Mutig, indem man mutig ist und gerecht, indem man gerecht ist. Immer mit dem rechten Maß. Immer, so soll man, auch was die Güte betrifft, die Mitte finden. So würde Aristoteles kaum von uns verlangen zu einem Menschen, der uns verletzt oder beleidigt, gütig zu sein. Es gibt Momente im Leben, in denen es angebracht ist, zornig zu sein, traurig oder wütend. Tugendhaft leben, heißt nicht immer freundlich zu sein und höflich zu lächeln. Tugendhaftsein ist mit Maß die Mitte zu treffen, die Mitte zu uns und die Mitte zur Situation. Um ein glückliches und gutes Leben leben zu können, sollen wir uns Tugenden aneignen, die uns zum Habitus, zur Haltung werden. So wähle ich, in einer Welt, in der man alles sein kann, „kind“ zu sein, den Menschen wohlwollend gegenüber zu treten, menschlich zu sein in einer unmenschlichen Welt. Lernen wir, keine vorschnellen, kränkenden Urteile zu fällen, sei es auch nur in Gedanken. Von Aristoteles kann man viel lernen, zum Beispiel ein gutes Leben leben. Und wenn ich es selbst nie schaffe, so gütig zu sein, wie ich es mir wünsche, sind es die gütigen, die wohlwollenden, die großzügigen und die geduldigen Menschen, die ich am meisten bewundere.

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Aristoteles ( Ἀριστοτέλης  * 384 v. Chr.   † 322 v. Chr. ) gehört zu den bekanntesten und einflussreichsten Philosophen und Naturforschern der Geschichte. Sein Lehrer war Platon, doch hat Aristoteles zahlreiche Disziplinen entweder selbst begründet oder maßgeblich beeinflusst, darunter Wissenschaftstheorie, Naturphilosophie, Logik, Biologie, Physik, Ethik, Staatstheorie und Dichtungstheorie. Aus seinem Gedankengut entwickelte sich der Aristotelismus.

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New Zealand Beauty

Kein Reisebericht

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Wenn man nach Neuseeland reist, spürt man die Physik. Man reist von Mitteleuropa, der nördlichen Hemisphäre in die südliche Hemisphäre. Wenn man die 18.000km in einer reinen Flugzeit von ca. 24 Stunden überwunden hat, bekommt man ein Gefühl für Distanz, für Zeitzonen und den Raum und dafür was es bedeutet wenn Menschen sagen, sie reisen in den Norden, wo es wärmer ist. Die Welt steht ein paar Wochen auf dem Kopf, für den der sich so weit von zu Hause weg bewegt und wird damit belohnt, dass er dort Silvester feiert, wo das neue Jahr als erstes beginnt.

Wenn ich Neuseeland in nur wenigen Worten beschreiben müsste, würde ich sagen, es ist eine Miniatur-Erde, alle Landschaften und alle Vegetationen befinden sich auf kleinstem Raum und dieser kleine Raum ist fast menschenleer. So bin ich durch die Straßen Wellingtons gezogen, ohne sehr lange Zeit jemanden zu treffen. So sind wir an Seen über Hügel gewandert und sind nur hie und da einmal einem Menschen begegnet. Natürlich gibt es besondere Attraktionen, wo es von Leuten nur so wimmelt, aber diese sind dann auch so bunt, dass es scheint, als wäre jede Nation, jede Kultur dort vertreten. Und, die Schafe sind immer in der Überzahl.

Ich brauchte mich um die Planung der Reise nicht viel zu kümmern, man hat sich freundschaftlich um mich gekümmert und mir so nur das Schönste gezeigt . Die Südinsel sei schöner, wilder, abwechslungsreicher. Nun, ich kann sagen, die Südinsel ist schön, wild und abwechslungsreich. Ich habe türkisblaue Seen gesehen und glitzernd weiße Gletscher mit ihren Moränen. Ich habe Schäfchen gezählt, Albatrosse und Pinguine beobachtet, bin über Seehunde gestolpert und habe die exotischsten und mir fremdartigsten Vögel zwitschern gehört. Ich habe die gefürchteten, eisigen Südwinde, die Southerlies im Gesicht gespürt und bin in das kalte Meereswasser gestiegen. Ich habe mich im Wald und im Staunen vor so viel Pracht und Erhabenheit verloren. Ich habe Farne gestreichelt und Lupinen bewundert. Ich fand mich wieder in Mitten von Mittelerde. Die Weine Neuseelands sind hervorragend , genau so wie der Kaffee.

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Dies ist jedoch kein Reisebericht, hier finden sich keine Tipps für Luxus-Retreats oder Budget-Hotels, ich empfehle hier keine Abenteuer. Die besten Cocktailbars der Städte fehlen hier, wie die besten Eisdielen der Inseln (die ohnehin rar genug sind). Was ich hier empfehle, ist auf Reisen zu gehen. Sich die Schuhe anzuziehen, die einen in die Weite tragen. Ich ermutige, die Koffer zu packen und aufzubrechen. Keine Mühen und Kosten zu scheuen und in die Welt zu treten. Wir sind vernetzt, jede Distanz ist digital nur noch kurz. Wir schätzen uns kosmopolitisch, weil wir ausländische Filme sehen und exotische Speisen lieben. Wir abonnieren Geo-Saison und reisen ab und zu ans Meer. Aber welch Erfahrung ist die Welt zu be-reisen, sich zu ent-fernen, abzu-tauchen, weit, einmal richtig weit weg zu sein. Wir lernen uns kennen. Wir begegnen der Welt in uns. Wir erkennen, was wir schützen wollen, wenn uns unser Planet am Herzen liegt. So viel mehr als ein politisches Programm. Wir wiedererkennen den Wert des Waldes und der Wiesen und des Meeres, weil es ein anderes, neues und un-heimliches Erfahren ist. Alles riecht anders, schmeckt anders und fühlt sich anders an. Das Andere. Was wären wir ohne es? Ohne das Fremde und ohne die Fremde. Der kalte Südwind ist anders als der Nordwind der über unsere Berggipfel pfeift. Wenn wir Glück haben, spüren wir auch die herbe Süße des Heimwehs. Wir sehen uns aus der Distanz. Wir erkennen im Schönen der Ferne den Zauber des Zuhause. Neues be-lebt. Ich reise, ich bin. Und wenn es sein soll, so gerne nach Neuseeland, du Schönheit.

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Audiovisuelles Schmuckstück N

Unser audiovisuelles Schmuckstück des Monats November

„Helping Tessy“ – Marc aus Hamburg gründet Verein für Waisenkinder

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Die Geschichte der kleinen Tessy hat uns sehr berührt. Marc (36), gebürtiger Kameruner, seit 11 Jahren in Hamburg, war im Frühjahr in einem Waisenhaus in Kamerun zu Besuch, als ein kleines Mädchen abgegeben wurde: Gerade mal vier Tage alt wurde sie unter einer Brücke gefunden, umgeben von Ameisen, völlig erschöpft und krank. Das Waisenhaus hatte nicht genug Geld, also ist Marc eingesprungen und hat sich gekümmert. Und jetzt hat er einen Verein für sie gegründet : „Helping Tessy – Hilfe für Kinder in Kamerun“. Das finden wir toll und haben ihn getroffen:

Hallo Marc, erzähle mal ein bisschen von Dir. Wo bist Du geboren? Seit wann lebst Du in Deutschland?

Ich bin in Douala in Kamerun geboren. Vor elf Jahren bin ich nach Deutschland gekommen, seit sechs Jahren lebe ich in Hamburg. Ich arbeite hier als Fitness-Trainer und Personal Coach in der Kaifu-Lodge und studiere Sprachwissenschaften an der Universität Hamburg.

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Audiovisuelles Schmuckstück O

Unser audiovisuelles Schmuckstück des Monats Oktober

Kleine Liebe

Viele haben die große Liebe hinter sich. Manche träumen noch von ihr. Und wissen dabei gar nicht recht, was das sein könnte, denn so wenig Erfahrung hat man mit ihr. Manche müssen sich gar korrigieren. Was sie einst für die eine, große, wahre Liebe hielten hat sich im besseren Fall als Seifenblase im schlimmsten Fall als Desaster erwiesen. Eine Frau berichtet in einem Interview von ihrem Leben. Vom Leben „allein“. Mich hat diese Frau und was sie gesagt hat berührt. Ihre Schilderungen waren jenseits aller Klischees. Sie hat von einem Phänomen berichtet, das sie „Mikro-Liebe“ nennt. Dieser Ausdruck „Mikro-Liebe“ gefällt mir nicht. Was sie damit meinte umso mehr. Die Verbindung vom Terminus technicus „micro“, einer physikalischen Größe, die ein Millionstel zum Ausdruck bringen soll mit dem weiten, ausuferndem Begriff der Liebe, will mir nicht so recht zusammenpassen. Ich will es „Kleine Liebe“ nennen und erklären, was damit gemeint sein könnte.

Alle sind wir Glücksjäger und jagen dem Glück oft so beharrlich hinterher, dass wir ganz übersehen, welches Glück uns alltäglich begegnet. Seelig diejenigen, die das Glück der kleinen Dinge wahrnehmen können. Klein ist das Glück oder klein die Liebe, weil sie sich nicht vor uns in aller Pracht und Gewalt aufrichtet und uns den Weg und den Blick verstellt. Die große Liebe bricht wie eine Naturgewalt über uns herein, lässt keinen Stein auf dem anderen, manchmal wächst kein Gras mehr. Wir vernachlässigen unsere Freunde, unsere Ambitionen, das, was uns wichtig ist und vor allem das, was wir sind, um ganz in diesem Gefühl aufzugehen und von dieser Welle fortgetragen zu werden. Die kleine Liebe ist nicht aufdringlich. Man muss sich nach ihr bücken. Manchmal muss man einen Stein erst aufheben, um sie darunter zu entdecken. Sie ist leise. Dafür begegnet sie uns häufig. Kleine Liebe sind tiefe Gespräche mit unseren Freunden oder unserem Langzeitpartner, in denen wir das Gefühl vollkommener Nähe und Übereinstimmung haben. In denen wir uns gesehen und verstanden fühlen. In denen wir Dinge, Erlebnisse und Freuden teilen. Kleine Liebe ist enthusiastisch Pläne schmieden, Utopien spinnen und trotz „forty-something“ von einer besseren Zukunft träumen. Kleine Liebe ist sich gemeinsam sorgen, um sich dann wieder zu beruhigen.  Kleine Liebe ist das Aufgehen in einer Geschichte, in der wir uns selbst erkennen, die uns einen Spiegel vorhält, deren Sätze uns glücklich machen. Sie kommt aber auch in der Gestalt einer kurzen, flüchtigen Begegnung mit einem uns völlig fremden Menschen. Der Blick des Anderen, den wir auffangen und uns länger als üblich in dieser fremden Vertrautheit verlieren. Wir lächeln. Wir stimmen in etwas überein. Ein ganz kleiner Moment der Nähe und des Verstehens. Die Kleine Liebe begegnet uns, wenn wir etwas leisten und stolz auf uns sind, wenn wir über uns hinauswachsen und mutig sind. Wenn wir Neues ausprobieren und riskieren. Sie begegnet uns dann als unsere Welt in der Welt. Wenn wir uns als Teil von etwas wahrnehmen können. Die Kleine Liebe ist das schemenhafte Erkennen und Anerkennen unserer Selbst. Wenn wir ja zu uns sagen und wir selbst Objekt unserer Liebe sind. Wenn wir über uns selbst lachen können als verschmitzte Komplizen unserer Eigenarten und Makel. Wer kennt nicht die Momente, in denen laute Musik und wildes Tanzen uns mit Freude erfüllen oder Augenblicke allein im Wald uns stille Zufriedenheit schenken. Wenn wir auf unser bisheriges Leben zurückblicken sind es die großen Lieben, die uns aus der Bahn geworfen haben, die kleinen Lieben aber sind es, die uns auf Kurs halten und uns nach wilder Fahrt wieder in den Hafen finden lassen, die unsere Geschichte geschrieben haben, die uns zu Personen machen, die uns zu „uns“ machen. Kleine Lieben heilen die tiefen Wunden, die uns die große Schwester zugefügt hat. Wie gut es das Leben mit uns meint, wenn aus der kleinen Liebe die große, oder aus der großen, die beständige kleine wird.

Audiovisuelles Schmuckstück S

Unser audiovisuelles Schmuckstück des Monats September

 

Das audiovisuelle Schmuckstück A

Unser audiovisuelles Schmuckstück des Monats August